Reiseschreibmaschine Erika Mod. 30

"Das wird ein ganz neues Leben"


Mit "Reife Kirschen" (Drehbuch und Regie: Horst Seemann, DDR 1972) wird zu Beginn der 70er Jahre ein Film entworfen, der als roten Faden ein zu bauendes, erst im Plan befindliches Atomkraftwerk zum Thema hat. "Blühende Zukunft - Kernenergie". Die Hoffnung daran teilt die DDR mit der Welt: seit Erfindung und verheerendem Einsatz der Atombombe durch die USA 1945 besteht global der Wunsch nach einer friedlichen Nutzung sauberer Kernenergie.

Der Grundkonflikt in "Reife Kirschen" besteht für den geschätzten Brigadier und Betonspezialisten Kamp (Günther Simon in seiner letzten Rolle) in der Frage, bei seiner Familie im Thüringischen zu bleiben (seine Frau überrascht ihn mit der Nachricht, mit über 40 Jahren ein weiteres Kind zu erwarten) oder ohne sie für viele Jahre an die Ostsee zu gehen, um dort am Bau des Kernkraftwerks teilzuhaben.
Kamp ist ein verunsicherter Film-Held. Er fragt, er grübelt, er bespricht sich.

In einer fast kabarettistischen Szene gehen Kamp, der mit sich um eine Lösung ringende Betonbauer, und Architekt Ika (Eberhard Esche) über das Brachland, auf dem die Stadt für die Arbeiter des zukünftigen Werks entstehen soll. In das Nichts mit Meerblick hinein träumen sie blühende Gärten, Bäume, Blumenkohl, Atom-Lichte Wohnungen - und Kamp ist begeistert von Ikas Visionen. Soll er an der verlockenden Schönheit dieser Zukunft mittun oder an seiner eigenen, nicht doch bei seiner Frau und dem erwarteten Kind und den Kirschbäumen bleiben, die es nur so stark und fest in Thüringen gibt?


Sein Ringen mit dieser Entscheidung durchzieht den Film bis zum Schluss. Erst ganz am Ende fällt die Entscheidung. Sicherlich auch, weil der durch den plötzlichen Unfalltod seiner Frau in tiefe Depression gestürzte Kamp einen abermaligen Beginn im Leben braucht.

Architekt Ika hat nicht mehr als eine Plattenbausiedlung gewohnter DDR-Anmutung entwerfen können. Keine Gärten zwischen den Blöcken, keine Visionen neben den notwendigen Wohnungen. Verlegen steht der Architekt vor dem Modell der Neubauten und vor Kamp.

Es bleibt für Kamp, den Fundamentbauer, der realsozialistisch-mögliche Zukunftsbau.
Und der muss ja auch gut gemacht werden, soll er gut werden.



Als "Besonderes Objekt" zeigen wir die Schreibmaschine aus dem Nachlass des "Reife Kirschen"-Drehbuchautoren und Regisseurs Horst Seemann und einen Dialog-Auszug des Films.

Das besondere Objekt
Schreibmaschine Erika Mod. 30
Aus den Sammlungen des Filmmuseums Potsdam