Geschichten jener Nacht

Geschichten jener Nacht
Der Episodenfilm Geschichten jener Nacht ist die erste Historisierung des Mauerbaus im DEFA-Spielfilm. Anhand von vier fiktiven Biografien werden die Ereignisse des 13. August 1961 in die Vergangenheitssicht der SED eingepasst und damit der offiziellen DDR-Geschichtsschreibung einverleibt. Im Kern beschwört der Film eine politische und intellektuelle Teilung Deutschlands, die schon vor dem Mauerbau bestanden habe: hier die fortschrittlichen Kräfte (Kommunisten, Antifaschisten, die DDR-Aufbaugeneration) und dort die Mitläufer und Reaktionäre (Nationalsozialisten, Republikflüchtlinge, der Monopolkapitalismus). Alle vier Männer sind Kampfgruppenangehörige, die in der Nacht vom 12. zum 13. August 1961 die Grenze nach Westberlin sichern und dabei entweder auf ihr bisheriges Leben oder in die Zukunft schauen. Mit diesem individuellen Zugang wollte die DEFA dem unmenschlichen Akt wohl eine menschliche Hülle verpassen. Man wirbt um Verständnis, will den Schritt aus und mit persönlichem Verhalten erklären. Dennoch bleibt es bei einer eindimensionalen Rechtfertigung. So kommt der Film mit viel Moral daher und sein Thema wird künstlerisch nur im letzten Teil Der kleine und der große Willi ansatzweise bewältigt. Die ohne Reue vorgetragene Erinnerung an den Mauerbau lässt sich auch als Reaktion und Pflichtübung der DEFA im Nachgang des 11. Plenums des ZK der SED (dem sog. Filmplenum) lesen, mit dem der gescholtene Filmproduzent im Vorfeld des VII. Parteitags seine Linientreue demonstrieren sowie Schauspieler und Regisseure rehabilitieren wollte. (Ralf Forster) "Man kann davon ausgehen, dass niemand gezwungen wurde, sondern sich zumindest mit beruflichem Engagement beteiligte. [Kultur]Ministerium und Studioleitung waren ihrerseits beauftragt und interessiert, Wunden zu heilen, Harmonie zu befördern und Einheit zu beweisen. (Klaus Wischnewski, in: Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg, 1994)
Einführung: Dr. Ralf Forster


Geschichten jener Nacht, DDR 1967
Episoden: I. Phönix, R: Carl Heinz Carpentier, 19’
II. Die Prüfung, R: Ulrich Thein, 40’
III. Materna, R: Frank Vogel, 14’
IV. Der große und der kleine Willi, R: Gerhard Klein, 31’
Gesamtlänge: 104‘

Vergangene Vorstellungen

13 August 2011 | 20:30

Unbekanntes deutsches Filmerbe präsentiert von CineGraph Babelsberg