Die Unvergleichliche

Holger Teschke
In: Theater der Zeit, März 2012

"... daß ich oder wir die DDR mit unserer Kunst auch erhalten haben, das ist, glaube ich, auch wahr - stets mit dem Wunsch, daß diese andere Gesellschaftsordnung gelingt, wo Gerechtigkeit herrscht und wo Kunst und Kultur eine wichtige Rolle spielen", schreibt Jutta Hoffmann am Ende dieses Buches, das ihr Leben und ihre Rollen vom ersten Auftritt am Berliner Maxim Gorki Theater 1960 bis zu ihrer bisher letzten Theaterarbeit an der Volksbuhne 2008 dokumentiert. Für mich war Jutta Hoffmann das Gesicht einer anderen, lebenswerteren DDR, seit ich sie 1972 in Egon Günthers "Der Dritte" gesehen hatte. Ihretwegen ging ich ins Berliner Ensemble und sah Filme im DDR-Fernsehen, was damals unter meinen Freunden verpönt war, Aber Jutta Hoffmann auf der Bühne oder im Film zu sehen, war ein Ereignis, das die eigenen Lebenslügen infrage stellte. Sie hat es sich und ihren Regisseuren nie leicht gemacht, wenn es um jene Leichtigkeit ging, für die ihr Spiel berühmt geworden ist. Sie hat die Ansprüche aller Autoritäten immer an der Realität gemessen und ist dabei "unbedingt ehrlich" gewesen, wie Egon Günther einmal schrieb. Spätestens nach ihrer Unterschrift unter die Biermann-Petition 1976 erfuhr sie, welcher Preis dafür zu zahlen war.
Dem Buch von Peter Warnecke und Birgit Scholz gelingt das vielschichtige Porträt einer vielseitigen Schauspielerin, zu dem viele Freunde und Kollegen beigetragen haben - von Frank Beyer, Egon Günther und Thomas Langhoff über Inge Keller und Lilli Palmer bis zu Christa Wolf und Wolfgang Kohlhaase. Von Kohlhaase stammt auch die präziseste Beschreibung des Besonderen ihrer Schauspielkunst "Sie spielt immer Handlung und keine Meinung, und ein Publikum kann entdecken, was die Fantasie ihm erlaubt." Diese Qualität hat Jutta Hoffmann zu einer Ausnahmeschauspielerin in Ost und West gemacht. Das haben auf dem Theater so unterschiedliche Regisseure wie Einar Schleef und Peter Zadek erkannt und geschätzt. Jutta Hoffmann wird oft mit hoch berühmten Kolleginnen aus der Theater- und Filmgeschichte verglichen, aber die Fotos in diesem Buch zeigen, dass sie unvergleichlich ist. Überraschend sind auch die Texte, mit denen sie die Lobreden, Kritiken und Aufführungsbilder verbindet. Jutta Hoffmann schreibt so, wie sie spielt: klar und direkt, widerspruchs- und humorvoll. Wenn man am Ende dieses vorzüglich ausgestatteten Bandes angekommen ist, wünscht man sich aber erst recht eine richtige Autobiografie: von ihren Anfangen als Schauspielschülerin bis zu ihren Erfahrungen als Schauspiellehrerin. Und vor allem wünscht man Jutta Hoffmann wieder Rollen, in denen sie zeigen kann, warum sie schon zu Lebzeiten eine Legende geworden ist.