Leni Riefenstahl

4. Dezember 1998 - 14. März 1999
An Leni Riefenstahl scheiden sich die Positionen: Die einen achten sie als innovative Filmemacherin, die anderen verachten sie als Nazi-Propagandistin. Einerseits verehrt als kreative Ästhetin, wurde sie andererseits aufgrund ihrer hartnäckigen Leugnung jeder persönlichen Verantwortung und als Profiteurin der Naziherrschaft sogar als Künstlerin geschmäht.
Die Auseinandersetzung mit der umstrittenen Person und ihrem zum Teil indizierten Werk, das in der DDR quasi unbekannt war, hatte im Westen Deutschlands seit den späten sechziger Jahren öffentlich stattgefunden - Riefenstahl-Ausstellungen hatte es bis dahin in Deutschland aber noch nicht gegeben, auch keine Buchpublikationen. Um nicht alte Urteile und Meinungen lediglich zu reproduzieren, war - im Hinblick auf Ausstellungskonzeption und Begleitbuch - eine erneute und möglichst vorurteilsfreie Annäherung an Person und Werk vonnöten, denn in der Biografie der Riefenstahl spiegelte sich der Lauf des Jahrhunderts.
Kuratorin: Bärbel Dalichow (FMP)
Gestaltung: grappa blotto (Berlin)
Ausstellungsfotos folgen.
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Bilderverbote sind undemokratisch. Die nach dem Zweiten Weltkrieg verständliche Tabuisierung der NS-Kunst ist nicht mehr sinnvoll, zumal die Werke heute andere Wirkungen entfalten als zu ihrer Entstehungszeit. Bisher hatte es in Deutschland (anders als in Japan, Finnland und Italien) noch keine Ausstellung zu Leben und Werk von Leni Riefenstahl gegeben und ebenso fehlte eine historisch-kritische Monografie. Trotz aller Vorbehalte, die Riefenstahls Engagement für Aufträge Adolf Hitlers und ihre herausragende Stellung während der Zeit des Nationalsozialismus betrafen, hat sich das Filmmuseum dafür entschieden, Ausstellung und Buch zu machen, denn Riefenstahls Leben und ihr Werk sind Teil der deutschen Geschichte. Ihre Ästhetik hat Vorläufer in Kunst, Philosophie und Politik und sie wirkt in Werbung und Popkultur nach. Die Nachgeborenen sollen sich selbst ein Bild machen, indem sie die Arbeiten der Riefenstahl und den historischen Kontext selbst zur Kenntnis nehmen und so zu einem eigenen Urteil finden. Mit Ausstellung und Buch entfachte das Filmmuseum einen Disput um Geschichte und Kunstgeschichte, von BBC bis Bangkok Post: Die deutsche und internationale Medienresonanz und die Besucherzahlen waren enorm.

Leni Riefenstahl war Tänzerin, Schauspielerin, Regisseurin, Produzentin und Fotografin. Zeugnisse ihres Lebens und ihres Werkes in eine biographisch-chronologische Ordnung gebracht, offenbarten Kontinuitäten, die der erste Blick nicht erfassen konnte. Angesichts von Filmen, Fotos, Dokumenten und Selbstzeugnissen erschloss sich dem Ausstellungsbesucher nach und nach eine ästhetische Konzeption der Künstlerin, die ihr gesamtes Lebenswerk durchzog und vom Willen bestimmt war, Schönheit und Harmonie in vollkommenen Bildern zu inszenieren.

Die Hinwendung auf ein Ideal des Schönen und Harmonischen war jedoch zugleich ein diabolischer Rückzug. Die Ambivalenz dieser Haltung besiegelte das Schicksal sowohl der Künstlerin als auch ihrer Kunst: Sich den Mächtigen Nazi-Deutschlands angedient und die eigene Karriere auf deren Protektion gestellt zu haben war ihr in Deutschland, anders als anderen Profiteuren jenes Systems, aus naheliegenden Gründen nie verziehen worden. Hier wurde ihr nach 1945 entstandenes Werk bewertet durch den Focus der Jahre 1933 bis 1945; sie selbst blieb in der Wahrnehmung deutscher Zeitgenossen die faschistische Künstlerin schlechthin. International hingegen, vor allem in Japan und in den USA, wurde der Einfluss Riefenstahls auf die Bildästhetik des ausgehenden 20. Jahrhunderts betont, der sich in der Bilderflut der Werbung, der Sportberichterstattung oder der Popkultur aufspüren ließ.

Einer von fünf thematischen Räumen in der Ausstellung, der Lese-Raum, war der widerspruchsvollen Rezeptionsgeschichte des Riefenstahlschen Werkes und dem Thema Vergangenheitsbewältigung gewidmet. Daneben bot die Ausstellung folgende thematische Schwerpunkte: Im Werk-Raum wurden die vier wichtigsten Filme der Regisseurin vorgestellt. Ihre fotografischen Arbeiten über die Nuba, Bewohner des südlichen Sudan, die sie in den siebziger Jahren mehrfach besucht hatte, waren im Nuba-Raum zu sehen. Das Spätwerk der Künstlerin, die Unterwasseraufnahmen, wurde im Dia-Raum vorgeführt. Die Video-Projektion von Ray Müllers Riefenstahl-Porträt "Die Macht der Bilder - Leni Riefenstahl" (1993), der Versuch einer Annäherung an die Person Riefenstahl und ihr Werk, bildete den letzten thematischen Schwerpunkt innerhalb der Ausstellung. Die chronologische Aufarbeitung des Lebensweges der Künstlerin umgab die Themenräume. Die Räume selbst lenkten die Aufmerksamkeit auf wichtige Schaffensaspekte und boten die Möglichkeit, ihre Arbeiten, die der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannt gewesen sein dürften, vorzustellen - elementare Voraussetzung dafür, sich ein eigenes Bild machen zu können.

Fotos, Texte, Monitore und Vitrinen zeigten zum Teil bisher unbekanntes Material, so Dokumente und andere Leihgaben aus Riefenstahls Privatarchiv (darunter das Originaldrehbuch zu "Das blaue Licht", Werbematerial zu "Triumph des Willens", Briefe von Jean Cocteau und Rainer Werner Fassbinder). Auf einem Monitor war ein bis dahin nicht veröffentlichtes Interview mit Leni Riefenstahl zu sehen. Studenten und Professoren der Fachhochschule Potsdam erstellten ein Bildessay zur Ikonografie der Künstlerin mit Bezügen zu Geschichte und Gegenwart. Unveröffentlichtes Filmmaterial aus dem Riefenstahl-Archiv zu ihren geplanten Nuba- und Unterwasserfilmen wurde erstmals gezeigt.

Die Schau wurde durch ein umfangreiches Buch, herausgegeben vom Henschel Verlag Berlin, und von einem Film- und Vortragszyklus im Januar und Februar 1999 begleitet.