Die Anfangsjahre des Kinos dominierten einaktige Filme. Gezeigt wurden Dokumentaraufnahmen oder komische Szenen und Dramen mit einer Spieldauer von nur wenigen Minuten. Um das Interesse am Besuch der "Kinematographentheater" nicht abflauen zu lassen, bemühten sich die Betreiber um immer mehr Attraktivität. Eine Neuheit bildeten ab 1903 die Tonbilder.
Die Idee, Bild und Ton zu koppeln, war nicht neu. Sie war schon etwa zehn Jahre früher bei Edison zu finden. Die wichtigsten Wegbereiter zur Einführung der Tonbilder waren Léon Gaumont in Frankreich und Oskar Messter in Deutschland. Bald gab es viele Hersteller für die technische Ausrüstung, fast alle Filmproduzenten boten auch kurze Tonbilder an. Die Inhalte waren recht homogen: Tänze, Opernarien, Varietészenen.
Als Beleg für diese erste Tonfilmphase befindet sich in der Sammlung eine Nadeltonanlage System Mendel aus dem Jahr 1909. Hersteller war Georges Mendel, Paris.
Die Anlage besteht aus einem Projektor Typ Pathé, englisches Modell, einem Grammophon, einer Luftpumpe zur Schallverstärkung sowie einem Synchronregler zur Anpassung der Laufgeschwindigkeiten von Projektor und Grammophon. Der Synchronregler vergleicht die auf elektrischem Wege übertragene Laufgeschwindigkeit des Grammophons mit der mechanisch übertragenen Laufgeschwindigkeit des Projektors. Bei Geschwindigkeitsdifferenzen wird die Spannung des Antriebsmotors für den Projektor so geregelt, dass wieder Gleichlauf erreicht wird. Mangelnde Lautstärke sollte durch Schallverstärkung über einen zusätzlichen Luftstrom mittels einer Pumpe behoben werden. Hergestellt wurden solche Tonbilder im Playbackverfahren: Im Atelier wurde die vorher produzierte Schallplatte abgespielt, die Darsteller agierten entsprechend der Musik, und die mit dem Grammophon im Synchronlauf gekoppelte Kamera zeichnete die Bilder auf. Bedingt durch die Platte als Tonträger waren immer nur relativ kurze Szenen als Tonbilder möglich. Auch war eine ausreichende Wiedergabequalität nicht immer zu gewährleisten.
Nach einem Filmriss fehlten häufig Bilder, der Ton war aber noch vorhanden. Dadurch war ein Synchronlauf nur unvollkommen zu erreichen. Die geringe Lautstärke des Grammophons gestattete eine Vorführung nur vor einem relativ kleinem Zuschauerkreis und war somit für die größeren "Kinopaläste" nicht geeignet. Aufgrund der häufig durch unsachgemäße Bedienung verstärkten Qualitätsmängel und des relativ hohen Aufwands bei der Herstellung solcher Tonbilder konnte sich dieses Verfahren nach 1913 nicht mehr behaupten. Erst die Erfindung von Verstärkerröhre und Lautsprecher ermöglichte fast 15 Jahre später den heutigen Tonfilm.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit hat das im Filmmuseum vorhandene Exemplar der Nadeltonanlage nach G. Mendel die Zeit nur deshalb überstanden, weil es nie verkauft wurde. Diese Anlage wurde dem Filmmuseum Potsdam zusammen mit einigen anderen Objekten aus der ehemaligen Berliner Firma Ariel Schimmel vom damaligen Staatlichen Filmarchiv der DDR übergeben.
Bei der Sichtung und Erfassung der Objekte stellte sich heraus, dass auch der originale Transportkoffer für diese Anlage vorhanden ist. In ihm befanden sich diverse Ersatzteile für verschiedene kinotechnische Geräte sowie eine größere Anzahl von Firmenschildern der Firma Schimmel, alles aus der Zeit vor 1920.
Über die Firma Schimmel ist nur wenig bekannt. Gegründet wurde sie 1894. Am 2.11.1906 und am 30.1.1907 beantragte die Firma Ariel Schimmel, Berlin, Kaiser-Wilhelm-Str. 18a, Markenschutz auf das Warenzeichen A.S.B. bzw. den Namen Theatrograph. Ein Projektor dieses Namens findet sich in der Stiftung Deutsche Kinemathek. Ein Ladengeschäft befand sich später in der Chausseestr. 25, ab 1.10.1914 in der Burgstraße 28. Bis mindestens 1940 existierte noch ein Geschäft in der Krausnickstr. 19. Entsprechende Angebotskataloge der Firma Schimmel sind in der Sammlung Schriften zur Filmtechnik vorhanden. Der im Bundesarchiv befindliche Teilnachlass des Unternehmens ist seit einigen Jahren in einem vorläufigen Findbuch erschlossen.