3. Mai - 1. September 2002
Ausstellung und Filmreihe
"Nervensäge vom Dienst, unerträglicher Selbstdarsteller" oder aber "genialer Schauspieler mit dämonischer Ausstrahlung": Der Schauspieler Klaus Kinski ließ niemanden kalt, sondern teilte und teilt das Publikum in zwei unversöhnliche Lager. Kinski, 1991 mit 65 Jahren gestorben, war einer der bekanntesten deutschen Schauspieler. Sein Leben, seine Theater- und Filmarbeiten würdigte eine Ausstellung, die im Jahr 2001 vom Deutschen Filmmuseum Frankfurt am Main mit Unterstützung des Estate of Klaus Kinski und in Kooperation mit den Filmmuseen Potsdam und Düsseldorf entwickelt wurde. Die Schau wurde von einem reich illustrierten Katalog ergänzt.
Kuratoren: Hans-Peter Reichmann, Ulrike Rechel, Johannes Kamps (Deutsches Filmmuseum Frankfurt/Main)
Gestaltung und Plakat: con©eptdesign (Offenbach)
Ausstellungsfotos folgen.
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Erste schauspielerische Erfahrungen sammelte Kinski in englischer Kriegsgefangenschaft, wo er im Lagertheater meist Frauenrollen übernahm. Nach 1945 bis Anfang der 1960er Jahre spielte er an Bühnen in Berlin, München und Wien, wurde aber nirgendwo festes Ensemblemitglied. Als Rezitator begeisterte er mit Vorträgen klassischer Texte, so den Balladen François Villons oder berühmten Dramenmonologen, ein meist jugendliches Publikum.
Kinskis Filmlaufbahn begann unmittelbar nach dem Krieg mit einer Nebenrolle in Eugen Yorks "Morituri" (1948). In frühen Rollen verkörperte er häufig empfindsame, sanftmütige Jünglinge. Als skrupellosen Nazioffizier sah man Kinski in László Benedeks "Kinder, Mütter und ein General" (1955). Bald wurde er auf den Typus des Schurken festgelegt: In Deutschland gehörte Kinski seit 1960 zum Stammpersonal der Edgar-Wallace-Krimis und wurde einem breiten Publikum bekannt. In zahlreichen Italowestern, die er in den sechziger Jahren drehte, war er der abgebrühte Kopfgeldjäger. In diesen Jahren schien er jedes Angebot anzunehmen und drehte bis zu zehn Filme pro Jahr.
Kinski lebte von 1965 bis 1975 in Rom. Hier boten sich ihm jedoch immer weniger berufliche Chancen, weshalb er nach Paris wechselte. Der deutsche Regisseur Werner Herzog entdeckte den expressiven Schauspieler in jenen Jahren gewissermaßen neu. Mit ihm drehte Kinski die Filme, die seinen Ruf als internationalen Leinwandstar manifestierten: "Aguirre, der Zorn Gottes" (1972), "Nosferatu - Phantom der Nacht", "Woyzeck" (beide 1978), "Fitzcarraldo" (1981) und "Cobra Verde" (1987).
Als Höhepunkt seines Schaffens sah er selbst seinen Film "Paganini" (1987-89), den er als Regisseur, Drehbuchautor und Protagonist verwirklichte - an seiner Seite Sohn Nanhoi, der als Nikolai Kinski seit 2000 eine eigene Schauspielerkarriere begann, noch nicht ganz so erfolgreich wie die seiner Tochter Nastassja Kinski.
Die Ausstellung zeigte eine Fülle von Fotografien, Dokumenten und persönlichen Gegenständen, darunter kurz zuvor entdeckte Gedichte und Bühnenskizzen aus den frühen fünfziger Jahren. Beeindruckende Leihgaben wie das Wachsmodell des Nosferatu-Kopfes, die Wanduhr aus "Nosferatu" und Kostüme aus "Cobra Verde" erinnerten an die Zusammenarbeit des Schauspielers mit dem Regisseur Werner Herzog. Aus Kinskis Nachlass - Estate of Klaus Kinski - stammten u.a. Treatments und Notizen zu geplanten Filmprojekten, ergänzt durch anrührende Hinterlassenschaften aus seinem persönlichen Besitz. Requisiten aus "Paganini" wie die Violine, das Wachsmodell des Paganini-Kopfes und der Flacon für ein geplantes Paganini-Parfüm erzählten von seinem langen Kampf für diesen Film.
Eine Filmreihe im Kino sowie Sonderveranstaltungen begleiteten die Schau.
Mai - September 2002
FILME:
Mein liebster Feind / Morituri / Paganini / Babyboy / Sarajevo / Der rote Rausch / Das indische Tuch / Kinski-Fotograf Beat Presser / Für ein paar Dollar mehr / Leichen pflastern seinen Weg / Töte Amigo / Das Gasthaus an der Themse / Nachtblende / Jack the Ripper / Wie kommt ein so reizendes Mädchen zu diesem Gewerbe? / Der Android / Fitzcarraldo / Die Last der Träume / Woyzeck / Cobra Verde / Nosferatu - Phantom der Nacht / Kinski Panganini / Die seltsame Gräfin / Aguirre, der Zorn Gottes
"Man muss stillhalten. Sich öffnen, sich hingeben. Alles, auch das Schmerzlichste in sich eindringen lassen.
Aushalten. Ertragen ... Das Übrige besorgt das Leben, das man leben muss ohne sich zu schonen."
(Klaus Kinski)
"Meine Empfindungen sind so riesig, meine Phantasie ist so maßlos, und meine Reaktionen sind so gewaltsam wie eine Naturkatastrophe, die alles mit sich reißt und Verwüstungen zurücklässt." (Klaus Kinski)
Mein liebster Feind
RE: Werner Herzog, D 1999
Schicksalhaft und über fünf Filme lang sind die Arbeitsleben des Regisseurs Werner Herzog und des Schauspielers Klaus Kinski verbunden. Beide lebten exzessiv, zwischen Genie und Wahnsinn. Zusammenstöße, auch schmerzhafte, waren nicht zu vermeiden. Gegenseitiges Vertrauen und Anerkennung wechseln mit Wut- und Hassausbrüchen. Jahre nach "Cobra Verde" (1987), ihrem letzten gemeinsamen Film, erinnert sich Herzog mit der ihm eigenen Zärtlichkeit und Melancholie. Seine Geschichten über Kinski sind immer auch Geschichten über ihn selbst und über eine der intensivsten Beziehungen im deutschen (Autoren-) Film.
Morituri
RE: Eugen York, D 1948
Der Film, dessen Titel auf die Todgeweihten in den Arenen der römischen Antike anspielt, erinnert die Zuschauer an die Konzentrationslager und Verfolgungen unter dem Nationalsozialismus. Filmproduzent Artur Brauner, der selbst knapp den Lagern entronnen ist, gab die Anregung für diese Geschichte. Entflohene Häftlinge verschiedener Nationen, jüdische Überlebende, aus zerstörten Dörfern geflüchtete Bauernfamilien harren in den letzten Kriegsmonaten in einem Waldversteck zwischen den deutschen und russischen Frontlinien aus. Dieses Zeitdokument erfuhr heftige bis ablehnende Reaktionen in den deutschen Kinos. Klaus Kinski ist in einer kleinen, beeindruckenden Nebenrolle als holländischer KZ-Häftling zu sehen.
Paganini Kinski Paganini
RE und DB: Klaus Kinski, I/F 1987/89
"Der Film gleicht einer wilden Kutschenfahrt durchs Leben Paganinis, er ist ein Road Movie durch eine Seelenlandschaft mit einer durchdringenden Geigenmusik als unheimlichem Motor, als schmerzendem Antrieb. Es gibt Schlaglichter auf die vielen Amouren und Sexabenteuer, auf die Auseinandersetzung mit dem Klerus, auf die große, verspielte Liebe zu seiner Frau Antonia Bianchi. Von zentraler Bedeutung aber ist Paganinis Weggefährte, sein abgöttisch geliebter kleiner Sohn Achille. Der Film ist auch ein Trip durchs Leben Kinskis." (Hans Schifferle, SZ)
"Mit PAGANINI suchte mein Vater Anerkennung als Schöpfer eines Films, der sowohl dem Geist Kinskis als auch dem Paganinis treu blieb. Er ließ sich so furchtlos auf die Paganini-Rolle ein, dass, selbst noch über seinen archetypischen Aguirre hinaus, seine Person zu der Paganinis wurde - mit dem dürren, verdrehten Körper des Geigers, der sein Instrument spielt, mit der ganz eigentümlichen Besessenheit, mit der mein Vater direkt in die Kamera starrte. Es war, als hätte er den Spieß umgedreht und zwänge den Mythos Paganinis, sich der Kinski'schen Gestalt anzugleichen. ... Ich halte PAGANINI für den Triumph der Individualität meines Vaters, für eine visuelle Bestandsaufnahme seines unersättlichen Hungers nach Liebe." (Nicolai Kinski)
Babyboy
RE: Peter Geyer, Michael Dreyer, D 2001
Der Film rekonstruiert den Lebensweg des 24-jährigen Schauspielers Nikolai Kinski, der in Klaus Kinskis letztem und eigenem Film "Paganini" als sein leiblicher Sohn den Sohn von Kinskis Paganini spielt. Im Mittelpunkt des Dokumentarfilms steht die außergewöhnliche Vater-Sohn-Beziehung.
Sarajevo
RE: Fritz Kortner, A 1955
Der Film schildert die zwölf Stunden vor dem Attentat von Sarajevo auf das österreichische Thronfolgerpaar im Juli 1914, das zum Auslöser des Ersten Weltkriegs wurde. Dabei gelingt es ihm sowohl das Atmosphärische der Situation als auch das politische Klima im damaligen Europa zu erfassen. Der große Fritz Kortner, dessen Geburtstag sich am 12.5. zum 110. Male jährt und den Klaus Kinski sehr verehrte - "Er ist der einzige Schauspieler der Welt, der mich erschüttert!" (Klaus Kinski) -, als dessen Schüler er sich verstand, übertrug ihm in diesem Schauspielerfilm die Rolle des Attentäters. Leider liegt Kinskis Theaterarbeit nur sehr fragmentarisch auf Filmmaterial vor. Um dennoch einen kleinen Einblick zu ermöglichen, zeigt das Filmmuseum Potsdam Tankred Dorsts Fernsehspiel "Die Kurve" (BRD 1961; 10. und 12.5.2002) in der Inszenierung von Peter Zadek mit Klaus Kinski und Helmut Qualtinger in den Hauptrollen. Unter einer gefährlichen Schlusskurve leben zwei seltsame Gestalten vom Ausschlachten abgestürzter Wagen und beschäftigen sich sorgfältig mit dem Beerdigungsritual der abgestürzten Fahrer. Der Zufall lässt den für die Straße zuständigen Regierungsbeamten ebenfalls abstürzen und überleben, ein Problem für die Beiden.
Der rote Rausch
RE: Wolfgang Schleif, BRD 1962
Kinski in der Rolle eines geistesgestörten Frauenmörders, der sein Gedächtnis verloren hat, aus der Anstalt entfliehen kann und als vermeintlicher Ost-Flüchtling Aufnahme in einer Schiffbauerfamilie findet. Deren Tochter glaubt, in ihm ihren verschollenen Mann wiederzuerkennen. Als die Bevölkerung von seiner wahren Identität erfährt, flüchtet er - gejagt von einem lynchwilligen Mob - zurück in die Anstalt.
Authentisch durch eine genaue Inszenierung mit einem atemberaubenden Klaus Kinski in seiner ersten Hauptrolle. "Eine solide Schwarzweißfotografie bemüht sich um Atmosphäre und eine expressionistisch angehauchte Stimmung" - urteilt der "film-dienst" über dieses Frühwerk Kinskis, das lange als verschollen galt. Unentdeckt überdauerte es in Filmbüchsen mit falscher Beschriftung.
Das indische Tuch
RE: Alfred Vohrer, BRD 1963
Kinski kam früh zu den Edgar-Wallace-Filmen, bereits im dritten Film der Serie, "Der Rächer" (1960), ist er zu sehen. Oft in der Rolle des Bösewichts, wenn auch manchmal unter falschem Verdacht, mit leicht psychopathischen Zügen, scheint er als Gegengewicht zu den alerten, sympathischen und "analytisch" ermittelnden Inspektoren, die nebenbei auch noch das Mädchen bekommen, zu fungieren.
Vohrers Film vereint klassische Bestandteile von Wallace-Stoffen: ein düsterer Ort, eine furchtbare Familie, mehrere Morde, ein Geisteskranker, falsche Fährten usw. Neben Kinski sind weitere Mitglieder der Wallace-Familie zu sehen: Heinz Drache, Eddi Arent, Elisabeth Flickenschildt und Siegfried Schürenberg. Wohliges Gruseln!
Kinski-Fotograf Beat Presser war zu Gast im Filmmuseum
Einer Legende zufolge ließ sich der Baseler Fotograf Beat Presser 1977 im Auto eines Freundes, versteckt unter einer Hundedecke, in ein Schloss nahe Paris schmuggeln, um dort bei Dreharbeiten Klaus Kinski zu treffen - und zu fotografieren. Presser erinnert sich: "Da stand ich also, allein und verbotenerweise in einem riesigen Schloss, mir gegenüber Klaus Kinski, der mich fragend ansah. Aber bevor er sich eines Besseren besinnen konnte, drückte ich ihm die letzte Ausgabe von "The Village Cry" (ein von Presser herausgegebenes Fotomagazin, A.d.V.) in die Hand und fragte ihn herausfordernd und bestimmt: "Herr Kinski, würden Sie gern auf dem Titel dieser Fotozeitschrift erscheinen?" Kinski nahm sich die Zeitschrift, blätterte sie in aller Ruhe durch, blickte mich erwartungsvoll an und fragte eher bestimmt als überrascht: "Lediglich auf dem Titel?""
Die Serie von Porträts, die daraufhin tatsächlich entstand, war der Auftakt einer Zusammenarbeit, die sich während der Dreharbeiten zu den Werner-Herzog-Filmen "Fitzcarraldo" und "Cobra Verde" fortsetzte. Von Regisseur Werner Herzog als Standfotograf und Regieassistent engagiert, schuf Presser
eindrucksvolle Schwarzweiß- und Farbaufnahmen von den Sets und von dem widersprüchlichen Star.
Eine Auswahl dieser berühmten Arbeiten waren in der Kinski-Ausstellung zu sehen. Darüber hinaus gab es am 21. Juni 2002 die Möglichkeit, den Fotografen Beat Presser persönlich zu seinen Erfahrungen mit Kinski zu befragen.
Klaus Kinski im Italo-Western
Als der amerikanische Western seinen Niedergang erlebt zu haben schien, machte man sich in Europa - insbesondere in Italien - auf, das Genre nicht nur neu zu beleben, sondern auch zu erneuern. Ein besonderes Markenzeichen des Italo-Western war seine "politische Unkorrektheit". Er präsentierte Gewalt und Grausamkeit, missachtete traditionelle Werte wie Familie und den Glauben an das Gute im Menschen und stellte das Prinzip der Rache nicht in Frage. Nicht selten waren seine Helden sexistische Machos. Klaus Kinski ist mit seinen fast zwanzig Filmen in jeglicher Hinsicht ein wichtiger Protagonist dieser Entwicklung, auch wenn er nie eine wirkliche Hauptrolle gespielt hat.
Für eine paar Dollar mehr Per Qualche Dollaro In Piu
RE: Sergio Leone, BRD/I/E 1965
Nach Leones "Für eine Handvoll Dollar" (1964) gibt Clint Eastwood erneut einen Kopfgeldjäger mit zerknautschter Zigarre. An seiner Seite Lee van Cleef. Beide erledigen eine Verbrecherbande in Texas, ohne dass ein Wort oder ein Schuss zuviel fallen. Dieser zweite "Dollar"-Film - wie der erste sorgfältig inszeniert - brachte endgültig den Durchbruch für den Italo-Western. Seine Form war gefunden und etablierte sich. Kinski spielt mit der Rolle des hässlichen und verwachsenen Banditen Wild, der am Ende von den Kugeln seines Gegners durchlöchert wird, eine der "einprägsamsten und populärsten seiner Filmografie."
Leichen pflastern seinen Weg Il Grande Silencio
RE: Sergio Corbucci, I/F 1968
Ein Western im Schnee. Sergio Corbucci widmet diesen Film Che Guevara, Martin Luther King und Robert Kennedy und erklärt das "totale" Opfer seines Helden als Protest gegen die Gewalttätigkeit. Kinski spielt den Kopfgeldjäger Tigrero, der aus schnöder Geldgier eine Gruppe Verlorener erbarmungslos jagt. Sein Widersacher wird verkörpert durch Jean-Louis Trintignant. Georg Seeßlen schreibt: "Es ist ganz einfach: das Gute siegt nicht, es gibt keine Bewegung zum Frieden in die Zukunft, die Frau bleibt nicht verschont, das Böse wird nicht bestraft, das Gesetz wird in diesem Film nicht gebrochen, und trotzdem triumphiert auf der ganzen Linie eine fundamentalkapitalistische Gleichung von Geld und Leben."
Töte Amigo Quien Sabe?
RE: Damiano Damiani, I 1966
Während der mexikanischen Revolution (1910 - 1920) schließt sich ein von Regierungstruppen gedungener Amerikaner einer Gruppe von Banditen an, um für eine hohe Prämie einen Rebellengeneral zu erschießen. Klaus Kinski spielt einen der Revolutionäre, den ebenso wahnsinnigen wie mystischen El Santo - Der Heilige. Damianis harter und zynischer Polit-Western zeigt die Grausamkeiten einer blindwütigen Revolution ebenso wie die Erbarmungslosigkeit einer Gewaltherrschaft und spielt - neben der Verherrlichung anarchischer Ideen auf seinerzeit aktuelle politische Ereignisse in Lateinamerika an.
Klaus Kinski in B-Movies
"Ich habe längst begriffen, dass ich mir die Filme nicht aussuchen kann. Einer ist wie der andere, und alle zusammen sind es nicht wert. Was bleibt mir übrig, als aus diesem Müll das Bestmögliche zu machen."
Kinski hat mehrfach betont, dass das erste Kriterium seiner Rollenwahl die Tagesgage sei. So lieh er zahllosen künstlerisch kaum bedeutenden Grusel-, Abenteuer-, Kriegs- und Erotikstreifen Gesicht und Namen. In den 60er und 70er Jahren spielte er neben den gesetzlosen Western-Helden vor allem Gangster, sinistre Offiziere und andere Kaltblüter. Wiederholt arbeitete er u.a. mit dem Regisseur Jess Franco zusammen. In Francos B-Filmen verkörperte er Gestalten wie Edgar Alan Poe, den Marquis de Sade und Jack the Ripper. In überwiegend amerikanischen Produktionen, in denen er in den 80er Jahren auftrat, war Kinski kaum mehr auf ein Rollenfach festzulegen. Er spielte den weisen Magier, den ironischen Raumschiff-Kommandanten oder den fürsorglichen Psychologen, doch verkörperte er auch einen schizophrenen Mediziner, einen exzentrischen Forscher oder einen wahnsinnigen Dirigenten.
Das Gasthaus an der Themse
RE: Alfred Vohrer, BRD 1962
"Hallo! Hier spricht Edgar Wallace" - 32-mal begrüßte in der längsten und erfolgreichsten deutschen Krimi-Filmreihe eine schaurige Stimme die sich wohlig gruselnden Zuschauer im Kino oder vor den Bildschirmen. Klaus Kinski drückte den billig (zwischen 1959 und 1972) produzierten, aber mit größtem Effekt daherkommenden Schauergeschichten ab der dritten Folge seinen Stempel auf: immer mit dem Bösen identifiziert und meist vor dem Ende mausetot. In "Das Gasthaus an der Themse" kommt die Londoner Polizei nach langem Rätselraten einem gefährlichen Mörder und Diamantenschmuggler auf die Spur.
Nachtblende L'important, c'est d'aimer
RE: Andrzej Zulawski, BRD/F/I 1974
Das grelle Zeit- und Sittengemälde im 70er-Jahre-Look schickt Nadine (Romy Schneider) als introvertierte und erfolglose Schauspielerin auf eine Odyssee der Verzweiflung und psychischen Zerrüttung. Sie erniedrigt sich, um sich und ihren Mann, der sich aus Lebensschwäche vergiftet, zu ernähren. Klaus Kinski spielt einen Bildjournalisten, der aus Liebe zu ihr als Pornofilmer arbeitet, um ihrer Karriere auf die Sprünge zu helfen.
Jack the Ripper
RE: Jess Franco, BRD 1976
Die Geschichte des nie gefassten "Jack the Ripper", der 1888 in London sechs Prostituierte bestialisch ermordet hat (in der Fassung des Meisters der europäischen B-Movies, Jess Francos), steht am Beginn der wohl letzten Phase der Karriere von Klaus Kinski, in der er in internationalen Genrefilmen zu sehen ist. "Das Problematische dieser Phase ist, dass sie Kinskis Image eine solch explizite sexuelle Komponente hinzufügte, das dies die ambivalente Natur seiner früheren Darbietungen zerstörte." (Carlos Aguilar) Auch wenn auf der einen Seite Kinskis Spiel "absichtsvoll gedämpft" frostig erscheint, werden andererseits einige besondere Grausamkeiten zur Schau gestellt.
Wie kommt ein so reizendes Mädchen zu diesem Gewerbe?
RE: Will Tremper, BRD 1969
Ein junges, naives Mädchen gerät durch einen unglücklichen Zufall auf die schiefe Bahn und in das horizontale Gewerbe. Sie wird Luxus-Prostituierte und erzählt ihre Geschichte. Kinski spielt die Rolle des kubanischen Zuhälters Juan Rodriguez Ignatio di Calderon. Will Tremper, ein Meister des Geschichten-Erzählens, verabschiedete sich mit dieser Softporno-Satire vom deutschen Nachkriegskino, das er mit Filmen wie "Playgirl", "Verspätung in Marienborn" oder "Die endlose Nacht" um Zeitfilme bereichert hat, die oft von improvisatorischer Spontaneität, manchmal "lustvoll reißerisch", häufig aber auch mit äußerster Konzentration das Lebensgefühl von Menschen und an Orten beschreibt. Produziert hat diesen sicherlich nicht politisch korrekten Film - ohne Bezug zur sozialen Wirklichkeit -, der auch unter dem Titel "Mir hat es immer Spaß gemacht" vertrieben wurde, Horst Wendlandt, die Musik stammt von Klaus Doldinger.
Der Android
RE: Aaron Lipstadt, USA 1982
In Lipstadts intelligentem und witzigem Debütfilm flüchten drei Sträflinge mit einem Raumschiff zu einer Raumstation, wo der verrückte Wissenschaftler Dr. Daniel (Kinski) mit künstlichen Menschen experimentiert. Unter dem Eindruck, dass die Menschen immer unmenschlicher werden, wenden sich die menschlichen Androiden gegen ihren Schöpfer und treten den Weg zur Erde an. Dieser charmante Film, der auf interessante Weise die Erlösungsfantasien von Hollywoods Sciencefiction-Filmen variiert, wurde mit sehr wenig Geld realisiert und nutzte überkommene Sets früherer Sciencefiction-Filme.
Kinski und Herzog
Mitte der 60er Jahre feierte Kinski als bizarrer Killer und Verkörperung des Bösen Erfolge als Protagonist in den Italo-Western ("Per Qualche Dollaro In Piu", "Il Grande Silencio"). Gleichzeitig sah man ihn in einer Reihe von zweit- und drittklassigen Produktionen. Bei Kinski, der sich nie in ein Ensemble einfügen konnte und wollte, wurden auch ein Teil dieser Chargenrollen dank seiner schauspielerischen Intensität zu Film-im-Film-"Hauptrollen". Anfang der 70er Jahre holt ihn Werner Herzog für die Hauptrolle in "Aguirre, der Zorn Gottes". Damit begann eine äußerst intensive Arbeitsbeziehung, die über 5 Filme lang dauern sollte. In Herzog - der seine Darsteller zum Teil extremen Risiken aussetzte und Höchstleistungen von ihnen verlangte (Herzog selbst bezeichnet seine Art des Filmemachens auch als "Athletenarbeit") - fand Kinski einen künstlerischen Widerpart. Und Herzog fand in Kinski den Darsteller, der seinen Vorstellungen von extremen Heldenfiguren perfekt entsprach. "Bei Herzog ist Kinski der Mensch, der zum Äußersten geht, an den Rand der Welt, der Wahrnehmung, der Sprache und des Lebens. Das Böse, das in den Italowestern und Thrillern als etwas mächtiges Fremdes auftaucht, ist bei Herzog Gegenstand einer Rekonstruktion: ein monströses Kind, ein panischer Träumer, der Getriebene, der nicht Subjekt seines Lebens werden kann." (Georg Seeßlen)
Gegenseitiges Vertrauen und Anerkennung wechseln jedoch immer wieder mit Wut- und Hassausbrüchen, so dass es mit den Dreharbeiten zu "Cobra Verde" zum endgültigen Bruch zwischen den beiden kam. In seiner wechselvollen Karriere gehören die Herzogfilme jedoch unbestritten zu den besten.
Fitzcarraldo
RE: Werner Herzog, BRD 1981
Werner Herzog drehte einen Film über einen Musik-Fanatiker (Klaus Kinski), der eine große Oper in ein noch unberührtes Gebiet des Amazonas bringen will und dafür ein großes Schiff von den Eingeborenen durch den Urwald über einen Berg schleppen lässt. Trotz gewaltiger Kulisse und enormem Aufwand gelang Herzog ein Abenteuerfilm von unspektakulärer Ruhe und scheinbarer Leichtigkeit, auch wenn Richard Strauss im Urwald erklingt.
Die Last der Träume Burden of Dreams
RE: Les Blank, USA 1981
Auf Einladung seines Freundes, des Regisseurs Werner Herzog, beobachtet der Dokumentarist Les Blank die Dreharbeiten zu "Fitzcarraldo". Das Projekt machte eine Reihe von schwierigen Phasen durch, in denen sich die besondere Leidenschaft und Besessenheit des Regisseurs Herzog offenbarte. Somit wird Blanks Film zu einem außerordentlichen Porträt des deutschen Filmemachers.
Woyzeck
RE: Werner Herzog, BRD 1979
Fragment von Georg Büchner: Johann Franz Woyzeck, Füsilier und Barbier ist von einfachem Gemüt und eine von allen gedemütigte Kreatur. Er liebt über alle Maßen seine Frau Marie und den gemeinsamen kleinen Sohn. Marie jedoch ist eine "schlechte" Frau: sie betrügt Woyzeck mit einem eitlen Tambourmajor. In sinnlosem Aufbegehren (gegen seine Umwelt) tötet er, was er liebt, um sich dann selbst zu ertränken. Im Anschluss an Nosferatu drehte Herzog die sich dicht am Text haltende, in seinem Inszenierungsstil äußerst schlichte wie ausdrucksstarke Adaption des Büchner-Textes.
Cobra Verde
RE: Werner Herzog, BRD 1987
Ein Rinderhirt träumt von einem besseren Leben und verlässt die Dürre Brasiliens. Er verdingt sich als Goldgräbersklave. Um seinen Lohn geprellt, will er Rache nehmen an der Welt. Er wird Bandit, später Sklavenaufseher auf einer Zuckerrohrplantage und schließlich Sklavenhändler in Afrika. Doch die alte Kolonialherrschaft geht ihrem Ende entgegen. Die Mord- und Abenteuerlust von Francisco Manoel de Silva kann nicht mehr gestillt werden. Die Sklaverei wird abgeschafft. Der vermeintliche Herrenmensch muss seinen Abschied nehmen. Im letzten gemeinsamen Film von Herzog und Kinski erleben wir einen Titelhelden, dessen exzentrische Selbstdarstellung auf ein fast unerträgliches Maß gesteigert wurde. Vielen Vorwürfen war dieser Film ausgesetzt: die indifferente Darstellung der Sklaverei, die Entindividualisierung des Menschen in den zahlreichen Massenszenen oder auch einfach Langeweile.
Nosferatu - Phantom der Nacht
RE: Werner Herzog, BRD/F 1978
Einerseits Remake seines Vorbildes Murnau, findet sich andererseits in Herzogs Neuinterpretation der Geschichte des Vampirgrafen (nach der Romanvorlage "Dracula" von Bram Stoker aus dem Jahre 1897) die Betonung der Außenseiterthematik, die sich durch sein gesamtes Werk zieht: Nosferatu ist bei Herzog nicht nur Inkarnation des Grauens, sondern gleichzeitig ein bedauernswertes Geschöpf, das unter seiner Einsamkeit leidet. Klaus Kinski erhielt für seine Darstellung das Filmband in Gold als bester Darsteller des Jahres 1978.
Die seltsame Gräfin
RE: Josef von Baky, BRD 1961
Um eine groß angelegte Gaunerei zu vertuschen, wird Stuart Bresset (Kinski), wahnsinniger Insasse einer psychiatrischen Nervenheilanstalt, von seinem Psychiater eingeredet, er könne geheilt werden, wenn er eine junge Frau umbringe. Immer wieder bricht Bresset aus bzw. versucht, die junge Frau telefonisch zu erreichen, um ihr mitzuteilen, dass er sie töten müsse, damit er frei komme. "Klaus Kinski war in den Wallace-Filmen nie der Mörder, der am Ende zu Fall gebracht wurde, aber immer der, der am ehesten und schnellsten mit dem Bösen zu identifizieren ist. Eine undurchsichtige Gestalt, die schon lange vor Schluss sterben muss. In den Wallace-Filmen gewinnt er Präsenz: Er beherrscht den Raum; wenn er zu sehen ist, dreht sich alles um ihn ... er spielt für den Zuschauer im Kinosessel, nicht für die Schauspieler auf dem Set...." (R. Worschech, Katalog)
Aguirre, der Zorn Gottes
RE: Werner Herzog, D 1972
1560: Ein endlos scheinender Zug von gepanzerten Conquistadoren, indianischen Hilfstruppen, Damen in Sänften, Pferden, Schweinen, Lamas und Kanonen windet sich von den nebelumhüllten Höhen der peruanischen Anden in den Dschungel herunter. Es sind die Männer des spanischen Eroberers Pizarros, auf der Suche nach der sagenhaften Goldstadt der Inkas, El Dorado. Über den Atlantik gekommen, hat er in den vielen Jahren seiner grausamen Züge große Reichtümer für die spanische Krone und für sich erbeutet. Als die Krönung seines blutigen Werkes zu scheitern droht, sendet er eine Gruppe von 40 Mann voraus, die das Gelände erkunden sollen, unter ihnen auch Don Lope de Aguirre. Durch ein Unglück verlieren die Spanier viele Männer. Um jedoch den Rückzug zu verhindern, zettelt der ehrgeizige Aguirre eine Meuterei an, wird zum Anführer und nennt sich fortan "Der Zorn Gottes". Sein Weg führt ihn auf dem Fluss immer tiefer hinein in den Dschungel und immer dichter an seinen eigenen Abgrund. Die Bedrohung durch die Eingeborenen, der wachsende Unmut seiner Leute, Hunger und Krankheit, v.a. aber sein eigener Größenwahn werden ihm zum Verhängnis.