DVD: Lutz Dammbeck: Filme und Mediencollagen 1975 - 1986

DVD-Cover
Lutz Dammbeck
Filme und Mediencollagen 1975 - 1986

Filmmuseum Potsdam © Edition Filmmuseum, PAL, 2 DVDs, s/w und Farbe, ca. 310 Min., Bonus: ROM-Bereich mit zahlreichen Dokumenten, Booklet 20.S. 29.95 Euro

DVD 1
Der Mond / The Moon 1975, 6’; Lebe! / Live! 1987, 10’; Der Schneider von Ulm / The Tailor of Ulm 1979, 14’; Einmart 1981, 15’; Die Entdeckung / The Discovery 1983, 17’; Die Flut / The Flood 1986, 10’; Herzog Ernst / Duke Ernest 1984 - 1993, 44’; Gespräch mit / Conversation with Lutz Dammbeck (Teil 1 / Part 1) 2008, 23’; Filmplakate 1972 - 1986/ Film posters 1972 - 1986
DVD 2
Metamorphosen I / Metamorphosis I 1978 - 79, 7’; Hommage à La Sarraz 1981, 12’; REALFilm 1986, 48’; Herakles Höhle / The Cave of Hercules 1983 - 1990, 45’; Gespräch mit / Conversation with Lutz Dammbeck (Teil 1 / Part 2) 2008, 20’; Vorbereitungen der Mediencollage REALFilm / Preparation for the media collage REALFilm 1986, 4’; Mediencollage Herakles (Ausschnitt) / Media collage Hercules (clip) 1985, 3’; ROM-Bereich mit Texten und Dokumenten / Original documents as ROM features

Booklet als PDF

Dammbeck in der DDR war ein Unding. Bevor Lutz Dammbeck das Land 1986 Richtung Westen verließ, lebte der bildende Künstler, Undergroundfilmer und Performer, bereits mehr ein Jahrzehnt lang als Enfant terrible unter Beobachtung der Staatsorgane. Die zehn frühen Animations- und Experimentalfilme, die er in Dresden, Babelsberg, Leipzig und Berlin schuf, atmeten den Traum vom Fliegen, von der Grenzüberschreitung. Dammbecks Tiefenbohrungen legten Herrschaftsstrukturen bloß - so funktionieren seine Filme bis heute.

Hommage á La Sarraz
Herakles Höhle
Medienc. REALFilm


Vorwort
Bärbel Dalichow

Warum veröffentlicht das Filmmuseum Potsdam diese DVD?
Sonniger Herbsttag 1981, Internationales Festival des Dokumentarfilms in Leipzig. Die stille Post flüstert davon, dass der Leipziger Verband Bildender Künstler in einem Innenstadt-Pavillon ominöse "Kunst-Filme" zeigen würde. Inoffiziell? Halblegal? Dererlei Gerüchte bringen die Lebendigeren unter den jungen Festivalbesuchern sofort in Bewegung und sie wissen schnell, wohin sie laufen müssen. Die Vorführung in dem überfüllten Raum beginnt mit einem Animationsfilm. Die Figur auf der Leinwand, die Welt, in der sie sich bewegt, lässt an Surrealismus denken, an Max Ernst und beklemmend-mythische Bilder von Giorgio de Chirico. Einem Wesen in einer bedrückend düsteren Welt wachsen unbegreiflicherweise Flügel und es fliegt. Gegen Netzte. Ins Nirgendwo. Die Botschaft des "Einmart" ist nicht simpel, aber glasklar.

Das war mein Film, unser Film. Da hatte einer endlos lang gezeichnet, und dabei das Weltgefühl der grundsätzlich zweifelnden Jungen im engen, kleinen Halbdeutschland für die Leinwand fixiert: Beklemmung, Vergeblichkeit, Verlorenheit, die Sehsucht der Gefangenen. Mehr als das. Transzendenz. Magische Kunst, die über das eigene Sein deutet, nicht bloß eine Parabel für Ostdeutsche ...

Mein Herz schlug schnell. Die aufwändigste und am meisten kontrollierte Kunstform konnte doch kaum von einem offenkundigen Freidenker erbeutet worden sein. Aufgewühlt lief ich ins Freie und fragte den Ersten, der mit mir aus dem Kino kam, ob er wisse, wer diesen Film gemacht hätte: "Ja,... - ich!" - antwortete er im schönsten Sächsisch. Lachanfall.
Von nun an achteten wir auf Lutz Dammbecks Aktionen. Die Idee: Eine Dammbeck-Retro in Potsdam. Wie vergnügt wir über diesen Einfall waren! Mit einer Retrospektive würdigte man damals ausschließlich berühmte Tote, Weltkünstler. Lutz hatte nur wenige Filme gemacht, war jung, lebendig und wandelte übermütig auf unerprobten Pfaden. Die Dammbeck-Abende im Kino und im übervollen Café des Museums atmeten Freiheit und beschenkte die Beteiligten.

Dammbeck machte Filme auch außerhalb des DEFA-Monopols, so "Herakles Höhle" (begonnen als "Herakles") und "Herzog Ernst" (begonnen als Szenarium "Gamuret"), die er erst beenden konnte, als er schon im Westen lebte. Er arbeitete an Collagen aus Film, Musik, Tanz, Bühnenbild und Malerei, u.a. für die Bauhausbühne in Dessau. Mixed Media war in den frühen 80ern eine auch international avantgardistische Form, die heute durch Übernutzung nur noch ein Gähnen hervorruft, damals aber für betriebsamen Tumult sorgte, wie die halblegalen Ausstellungen. So fand in Leipzig während der Dokumentarfilmwoche 1984 der "1. Leipziger Herbstsalon" statt, zeigte die Galerie Schweinebraden in Berlin neue Bilder und Aktionen, tanzte Fine Kwiatkowski in Dammbeck-Performances, gab es Atelierfeste oder Ausstellungen in Fabrikbrachen. Lutz Dammbeck reichten diese Freiräume nicht aus, so verließ die DDR 1986 in Richtung Hamburg. Seitdem arbeitet er dort als freiberuflicher Maler und Filmemacher. Er macht Dokumentarfilme, die weltweit auf Festivals laufen, lehrt an der Dresdener Kunsthochschule, beteiligt sich an großen Ausstellungen und wurde mit renommierten Kunstpreisen geehrt.

1998 kaufte das Filmmuseum Potsdam Dammbecks Arbeitsmaterialien zu seinen frühen Animationsfilmen. Wenn seine Filme aus den 80er Jahren nun zugänglicher werden als bisher, begreifen Kunstinteressenten, dass Dammbeck als bildender Künstler und Filmemacher an einem Gesamtwerk arbeitet - bis heute.

Einmart
Einmart
Schneider von Ulm

Die Produktion der DVD durch das Filmmuseum Potsdam für die "EDITION FILMMUSEUM" München wurde in Kooperation mit der ICESTORM Entertainment GmbH, Bundesfilmarchiv Berlin, der DEFA-Stiftung, dem Deutschen Institut für Animationsfilm Dresden, dem Progress Filmverleih, dem Goetheinstitut und der Lutz Dammbeck Filmproduktion möglich. Dankenswerterweise hat die Kulturstiftung Sachsen das Projekt unterstützt.