Leseprobe "Spur der Filme. Zeitzeugen über die DEFA"

Eine einmalige Aufbruchszeit - Die vierziger Jahre


DEFA-Gründung am 17. Mai 1946
Kurt Maetzig, Regisseur
Oberst Sergej Tulpanow bei der Gründungsveranstaltung der DEFA am 17. Mai 1946 - Foto: Pisarek

Ich habe mit großer Spannung auf die Rede gewartet, die [Sergej] Tulpanow dort hielt. Sie war - wie es nicht anders sein konnte bei solch einem humanistischen Offizier - weltoffen, demokratisch und wies der jungen DEFA einen Weg in die Zukunft, mit dem ich mich ganz identifizieren konnte und der voll und ganz mit meinen Intentionen übereinstimmte. Es sollte eine antifaschistische und eine demokratische Filmkunst entstehen, die grundsätzlich mit der Vergangenheit brach und etwas Neues wollte. Und dazu - das haben wir hinzugefügt - eine, die immer in bestehende und laufende gesellschaftliche Prozesse eingreifen wollte.

Karl Hans Bergmann, Wirtschaftsdirektor
Daß Klering ausgerechnet von uns gewählt wurde, die Ansprache zu halten, ging auf Tulpanow zurück. Tulpanow kannte nur Klering, und Klering war Verbindungsmann zu den Russen. Er war selbst seit 1931 in Rußland gewesen, ein Laienschauspieler in einer dieser Agitprop-Gruppen, "Kolonne Links", die nach Rußland emigriert war. Er hatte einen russischen Paß, eine russische Frau, er war ganz Russe geworden.
Und er war, was wir damals nicht wußten, Mitarbeiter des NKWD, was er natürlich nicht öffentlich sagte. Aber in seiner Rolle als NKWD-Mann hat er zweifellos über uns alle berichtet.
Das war also der Auftakt am 17. Mai. (...)
Erteilung der Lizenz für die DEFA am 17. Mai 1946: Oberst Sergej Tulpanow, Hans Klering, Alfred Lindemann, Willy Schiller, Karl Hans Bergmann und Kurt Maetzig - Foto: Pisarek

Die Lizenzurkunde wurde als Pergamentrolle überreicht, und als Klering sie aufmachte, sah er eine Schriftmusterrolle für eine halbfette "Grotesk", die Buchstaben in verschiedenen Größen aufgezeichnet. Das war alles, was Tulpanow übergab, denn er hatte offenbar von seinen vorgesetzten Stellen noch keine Genehmigung erhalten. Von der Lizenz war späterhin auch nie mehr die Rede. Offiziell hieß es, die Lizenz ist da. Klering hielt sie unter Verschluß, gesehen hat sie keiner. Es war sozusagen eine Art - wie soll ich sagen - Vortäuschung falscher Tatsachen, was aber keine Rolle spielte, da ja die Russen der DEFA ihre Unterstützung zusicherten. Das war ja das eigentlich Wichtige, nicht das Blatt Papier. (...)
Wir waren vier, und [Alfred] Lindemann. Der war zwar der Primus inter pares, aber offiziell gab es keine Unterschiede. Er hatte sich das Ressort Spielfilm gesichert, und alles, was mit Spielfilm zusammenhing, nahm er selbst in die Hand. Das war natürlich ein großer Teil, denn es war die eigentliche Aufgabe der DEFA, Filme zu machen. Er engagierte die Regisseure, auch die Schauspieler, die Dramaturgie, die ihn beraten mußte. Für sein Spielfilmfach war er praktisch alleinbestimmend. Wir anderen hatten genug mit den anderen Dingen zu tun.
Maetzig war durch die Wochenschau vollauf beschäftigt, die wöchentlich herauskam, und Klering mit Synchron- sowie Kultur- und Dokumentarfilm in Johannisthal. Ich mußte quasi alles machen, was die nicht erledigten. Ich war also völlig ausgefüllt und hatte gar nicht die Möglichkeit, nebenher noch eigene Sachen zu beginnen.

Kein "Tauwetter" in Sicht - Die fünfziger Jahre


Ernst Thälmann - Sohn seiner Klasse (1954) / Ernst Thälmann - Führer seiner Klasse (1955)
Kurt Maetzig, Regisseur
Kurt Maetzig bei den Dreharbeiten zu den \"Thälmann\"-Filmen - Foto: DEFA-Wenzel

Die Hypertrophierung seiner Verdienste, das Keimfreimachen der Gestalt von persönlichen Charakterzügen, Schwächen, Irrtümern, ihr das Suchende zu nehmen und sie fast wie einen Automaten darzustellen, der auf jede Frage immer eine richtige Antwort gibt, das alles hat den Film im Kern getroffen. Er ist heute in einem neuen Sinne ein historisches Dokument, aber nicht mehr über Thälmann, sondern über die Kulturpolitik der damaligen Zeit, ein Dokument über stalinistische Kulturpolitik. Man kann daraus eine Menge lernen, aber in erster Linie Negatives.
Aus dem Zeitzeugengespräch mit Kurt Maetzig.
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Frank Vogel, Regisseur
In der Stubenrauchstraße war das alte Gästehaus der DEFA, das einst Siemens gehörte, glaube ich. (…) Schräg gegenüber hatte Maetzig sein kleines Häuschen. Im Gästehaus wurde mächtig gezecht. [Johannes] Arpe war der Sprachregisseur und arbeitete besonders mit [Günther] Simon. Nach Mitternacht muß Simon so besoffen gewesen sein, daß er fest eingeschlafen ist. Da haben sie ihn alle angefaßt, herübergetragen und schlafend vor die Haustür von Maetzig gelegt. Es wurde geklingelt, nachts um zwei, noch einmal geklingelt. Und Maetzig: "Ja, wer ist denn da?" Arpe war der Wortführer und stellte sich vor den völlig verstörten Maetzig im Bademantel hin wie ein Pfarrer und sagte, auf Simon zeigend: "Thälmann ist tot."

Zwei Mütter (1957)
Frank Beyer, Regisseur
Frank Beyer und Françoise Spira bei den Dreharbeiten zu \"Zwei Mütter\" - Foto: DEFA-Neufeld

Ich war ein rothaariger und sommersprossiger Dorfjunge und hatte eigentlich den Wunsch, Schauspieler zu werden, habe mich das aber nicht getraut. Weil O’Casey damals noch nicht übersetzt war, und so viele irische Typen gibt es in der deutschen Theaterliteratur nicht. Ich war einfach zu feige dazu, das zu betreiben. Alles andere ist eine Kette von unglaublichen Zufällen, (...) bis ich dann - sehr früh für heutige Verhältnisse - mit 23 Jahren meinen ersten Spielfilm, Zwei Mütter, bei der DEFA gemacht habe.
Dieser Film war mein Regiediplom. Ich drehte ihn 1956 bei der DEFA. Mein offizielles Studium endete 1957. Seit 1952 hatte ich an der Prager Filmhochschule FAMU studiert.
Ich fuhr mit dem fertig gemischten Film zum Staatsexamen nach Prag und bekam es auch. Dann ging ich zu Wilkening, der mit mir über Projekte reden wollte. Er sagte mir, daß im Moment nicht daran gedacht sei, mir eine neue Filmregie anzuvertrauen. Das schluckte ich, denn das hing zusammen mit diesem Hin und Her in diesem Jahr. Sie waren unter Druck, mußten mit jungen Leuten etwas machen und gaben uns die ersten Filme. Dann hakte es plötzlich aus. (...)
Mir wurde ein Vertrag als Regie-Assistent angeboten, den ich nur unter der Bedingung akzeptierte, daß ich ein Mitspracherecht darüber bekam, bei welchem Regisseur ich arbeite. Das wollte mir Wilkening nicht zugestehen. So unterschrieb ich den Vertrag nicht und arbeitete freischaffend.

Illusion und Restriktion - Die sechziger Jahre


Das Kleid (1961/1991)
Jochen Mückenberger, Generaldirektor
Wolf Kaiser in \"Das Kleid\" - Foto: DEFA-Daßdorf

Als ich DEFA-Direktor wurde, gab es eine sehr unangenehme Sache. Ich mußte über einen im Rohschnitt fertigen Film entscheiden, nämlich Das Kleid. Als ich mir ihn zum ersten Mal im November 1961 angeschaut habe, wurde mir klar, daß es unmöglich war, diesen Film zu zeigen. Nicht, weil er unkünstlerisch gewesen wäre oder Autor, Regisseur, Kameramann oder irgend jemand anderes versagt hätten, sondern weil er überhaupt nicht in die politisch aufgeheizte Situation nach dem Mauerbau gepaßt hat. Ich weiß nicht, ob das stimmt, aber vierzig Prozent dieses Films spielten sich vor, auf und hinter einer Mauer ab. Es gab einige Tore, durch die man entweder kam oder nicht. Jeder Satz dort hatte eine Beziehung zur Gegenwart und der Situation, die gerade eingetreten war, von der weder der Autor noch der Regisseur, als sie zu drehen begonnen hatten, die leiseste Ahnung besaßen. Mir war klar: Wenn der Film zugelassen wird, mußt du dir bald eine andere Aufgabe suchen, und das wird im DEFA-Studio schwierig.
Aus dem Zeitzeugengespräch mit Jochen Mückenberger.
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Spur der Steine (1966)
Frank Beyer, Regisseur
Frank Beyer bei den Dreharbeiten zu \"Spur der Steine\" - Foto: Klaus D. Schwarz

Ich drehte damals Spur der Steine nach dem Roman von Neutsch. Das war eines jener Bücher - neben "Der geteilte Himmel" von Christa Wolf, "Ole Bienkopp" [von Erwin Strittmatter] und anderen -, die eine breite Leserschaft fanden und große Diskussionen auslösten. Ich habe den Film seit 1966 nicht wieder gesehen, spreche also nur aus der Erinnerung. Möglicherweise enthielt er manche polemische Zuspitzung, und sicher gibt es in diesem Film bittere Szenen menschlichen Versagens. Das hat mich während der Arbeit schlaflose Nächte gekostet. Ich stellte mir wieder und wieder die Frage, ob der Film Übertreibungen enthält, ungerechtfertigt zugespitzte Szenen.
Aus dem Zeitzeugengespräch mit Frank Beyer.
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Klaus Wischnewski, Chefdramaturg
Spur der Steine - das war der Film, an dem damals alles hing. Nach dem 11. Plenum habe ich eine Rede, die zunächst einmal von vielen als Kotau empfunden wurde, eigentlich nur deshalb gehalten, um am Ende zu sagen: "Diese Filme, diese Romane, die Titel, die Leute, die Probleme, das muß bleiben!" Und das haben wir ja dann auch noch ein halbes Jahr durchgehalten. (...) Im März ist der Film ja noch mit großem Lob abgenommen worden. Danach bin ich ins Krankenhaus gegangen und habe gedacht: Es ist geschafft. - Von der Absetzung des Films erfuhr ich im Krankenhaus, aber ich kannte ja die Vorgabe. Die bestand ja bereits bei der Premiere. Der Film sollte acht Tage laufen. [Klaus] Gysi hat Frank Beyer gesagt, daß die Premiere eigentlich ausfallen sollte, was nun aber nicht ginge. Aber er forderte Frank auf, nicht hinzugehen und auf Manfred Krug und die anderen Mitarbeiter einzuwirken, ebenfalls fernzubleiben. Das hat Frank abgelehnt. Alle sind dagewesen. Ich habe mir Urlaub aus dem Krankenhaus geben lassen.

Ich war neunzehn (1968)
Wolfgang Kohlhaase, Autor
Jaecki Schwarz und Konrad Wolf beiden Dreharbeiten zu \"Ich war neunzehn\" - FOto: DEFA-W. Bergmann

Konrad Wolf hat damals gesagt: "Wir müssen gerade jetzt weiter Filme machen." Und es war klar, dieses sogenannte Gegenwartsthema umging man.
Seine Rückkehr nach Deutschland aber, mit dem Abstand von zwanzig Jahren, war für ihn erzählbar geworden. Er ist ja damit nicht herumgelaufen und hat darüber geredet. Das ruhte in ihm. Ein anderes Motiv, sicher ein nachgeordnetes: Das konnte er vielleicht mit Anstand machen. Damit entging er dem Ansinnen, jetzt einen glänzenden, aber schlechten Film zu machen. Weil er sich nicht für einen Schriftsteller hielt, kamen wir ins Gespräch.
Wir sind uns jahrelang nur kollegial begegnet. Wir waren auch in unterschiedlichen Arbeitsgruppen in Babelsberg. So war Ich war neunzehn der Beginn einer Beziehung. (...)
Er hat im Krieg Tagebuch geschrieben, auf russisch, anders durfte er in der Armee nicht schreiben. Möglicherweise sind das ungehobene Zeugnisse, die gibt es noch handschriftlich: der Weg eines 16jährigen durch den Krieg, bis er 19 war. An der Oder haben sich die Ereignisse überstürzt, so daß er aufhörte zu schreiben. Er hat dann im Vorfeld von Ich war neunzehn seine Erinnerungen so rekonstruiert, wie sie ihm einfielen. Die moralische Situation ist natürlich authentisch. Die Schauplätze sind authentisch, die Armee, die 49. oder die 48., in der er war, und ihr Weg nördlich um Berlin herum bis Potsdam ist authentisch und die Vorgänge, soweit er sie notiert hat. Uns war klar: Wir wollten uns so eine Art Tagebuchstruktur erhalten, wollten keinen Episodenfilm ...
Aus dem Zeitzeugengespräch mit Wolfgang Kohlhaase.
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Rainer Simon, Regisseur
Es war ein Traum, bei Konrad Wolf zu assistieren, und es war bei Ich war neunzehn eine sehr aufregende Zusammenarbeit mit ihm. Erstens, weil wir uns menschlich etwas ähnlich sind, beide nicht so sehr viel reden und nicht so verbindlich sind. Wir haben uns eigentlich angeschwiegen. Wenn wir irgendwas zu sagen hatten, war das wichtig. Ich war sicher kein guter Regie-Assistent. Mich interessierte eigentlich mehr, ihm reinzureden oder ihn zu fragen, was ich später als Regisseur gehaßt hätte, wenn das ein Assistent bei mir gemacht hätte. Aber er ertrug das irgendwie mit seiner Bärenruhe. Und ich habe eine ganze Menge mitgekriegt, vor allem die Achtung vor dem Schauspieler.
Zum ersten Mal erzählte mir jemand vom Stalinismus, nämlich so, wie er ihn erlebt hatte in der Zeit, als er mit seinem Vater in Moskau war. Wie Stalinismus funktionierte. Das hatte mir vorher niemand erzählt und hinterher auch niemand, der es als Augenzeuge erlebt hatte.

Schwierigkeiten mit dem Alltag - Die siebziger Jahre


Die Legende von Paul und Paula (1973)
Urich Plenzdorf, Autor
Heiner Carow bei Dreharbeiten zu \"Die Legende von Paul und Paula\" - Foto: DEFA-Kroiss

Es fing damit an, daß da Anfang der siebziger Jahre so eine Zeit war, die einzige Zeit, wo wir solch einen Film drehen konnten. Die Situation war ja auch mehr oder weniger zufällig entstanden; der Stoff war nicht etwa vorher fertig. Da gab es dieses berühmte Loch in der Kulturpolitik, als keiner so richtig wußte, was kommt denn nun, nachdem Ulbricht weg und Honecker noch nicht so richtig da war. Wir haben die Gunst der Stunde genutzt für diese Story, die sonst bei der DEFA nicht machbar gewesen wäre.
Da sind auch Dinge passiert, die nicht zu erklären sind, zum Beispiel weshalb die Direktion so einen Stoff zuließ und auch wollte. Das war Professor Wilkening, mit dem ich sonst nicht besonders konnte, aber hier stand er plötzlich voll hinter der Geschichte. Vielleicht, weil er dachte: "Na gut, ich habe den Jungs versaut, "Die neuen Leiden des jungen W." zu machen, jetzt lassen wir sie wenigstens mal die ‚"Legende" machen." So schob sich das zusammen. (...)
Es war ein schönes Jahr, ein schöner Sommer. Wir waren eigentlich ganz gut drauf, wir hatten Hoffnungen und Illusionen, immer noch Hoffnungen, immer noch Illusionen. Die stecken alle in diesem Film. Die Konstellation Schauspieler, Stars, Regisseur war gut. Auch mehr oder weniger durch Zufall stießen wir auf diese Gruppe "Puhdys", die sich dann durch diesen Film einen Namen machte. Die waren damals noch ganz frisch, unbekannt und hungrig. Auch wir waren im Grunde genommen hungrig, obwohl wir schon mehr als dreißig Jahre auf dem Buckel hatten, aber wir hatten auch eine Menge versäumt und nachzuholen.
Aus dem Zeitzeugengespräch mit Ulrich Plenzdorf.
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Heiner Carow, Regisseur
Auf der Premierenfahrt war ich mit Angelica Domröse in einem kleinen Ort, Zwönitz hieß er. Durch einen Zufall kam die Hälfte der Delegation zu spät. Also saß ich mit Angelica dort allein. Der Film war zu Ende, und es mußte etwas passieren. Angelica ging nach vorn und sagte: "Hallo, Leute, hier bin ich." Da ging etwas los: Die Frauen kamen, um sie anzufassen, zu streicheln: "Also, sag mal, Kindchen, wir verstehen dich."
Es gab eine Diskussion, in der ein Mann sagte, er könne es nicht verstehen, daß Paula das Kind haben will, obwohl sie weiß, daß es gefährlich ist. Und da schrie ihn eine Frau an: "Das können Sie ja auch nicht verstehen, denn Sie sind ja ein Mann!" Die Frauen haben diese Paula geliebt, weil sie ihnen allen aus den Herzen sprach.

Angelica Domröse, Schauspielerin
Es war ein wunderschönes Drehbuch. Das Neue daran war, daß es nicht um eine Frau ging, die studierte oder Doktor war oder sich qualifizieren wollte, sondern um ein einfaches Mädchen, das alle Chancen des Staates ignorierte und einen sehr persönlichen Glücksanspruch hatte.
Aus dem Zeitzeugengespräch mit Angelica Domröse.
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Letztes aus der DDR - Die achtziger und neunziger Jahre


Jadup und Boel (1980 / 1988)
Rainer Simon, Regisseur
Rainer Simon und Rolenad Dressel bei den Dreharbeiten zu \"Jadup und Boel\" - DEFA-Ebert

Dann schrieben wir das Drehbuch, es wurde filmischer und zupackender. Vierzehn Tage vor Drehbeginn wurden wir plötzlich zum Direktor bestellt. Uns wurde eine Analyse von der Leiterin des Lektorats vorgelesen, bei der wir alle dachten: "So, damit ist der Film gestorben." Trotzdem wurde der Film gemacht. Und zehn Jahre später habe ich in den Stasi-Akten gelesen, daß der Mäde von diesem Gespräch ein Protokoll für die Stasi geschrieben hatte: Wir sind uns völlig bewußt, daß der Film vielleicht nicht gezeigt werden kann. Aber wir halten es für das kleinere Übel, Simon arbeiten zu lassen in der Hoffnung, daß es vielleicht doch noch klappt.
Aus dem Zeitzeugengespräch mit Rainer Simon.
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Roland Dressel, Kameramann
Vom ersten Drehtag für Jadup und Boel an kamen sie ins Atelier, ob nun der Parteisekretär oder sonst wer. Man interessierte sich für unsere Arbeit, aber es roch so nach Beaufsichtigung. Wir haben gearbeitet, wir haben unseren Film gemacht. Wir wußten, wie problematisch er sein würde. Wir haben ihn mit Konsequenz gemacht. (...) Der Film wurde zugelassen, der Film wurde verboten und acht Jahre später wieder zugelassen.

Der Bruch (1989)
Wolfgang Kohlhaase, Autor
[im,g:right:2465]
Der Bruch war mein letzter Film bei der DEFA, eine Geschichte, die ich lange, seit Mitte der fünfziger Jahre, im Gepäck hatte. Ich versuchte, die alten Akten zu diesem damals berühmten Einbruch zu finden. Die waren verloren und nicht auffindbar, denn ein Teil des Prozesses war im Osten geführt worden, ein Teil im Westen. Ich habe sie schließlich doch gefunden und festgestellt, daß meine Erinnerungen zutrafen. Ich hatte schon damals die Idee, eigentlich ist das eine Komödie: eine ungelernte Polizei und gelernte Einbrecher.

Frank Beyer, Regisseur
Gute Schauspieler sind natürlich sehr empfindsame Leute, das gehört zu ihrem Beruf. Und Rolf Hoppe ist schon mitunter eine Mimose, aber damit kann ich umgehen; das stelle ich in Rechnung. Ansonsten ist er ein enormer Arbeiter, ein fleißiger Arbeiter und ein Mann, mit dem man gut auskommt.

Coming out (1989)
Heiner Carow, Regisseur
Heiner Carow bei den Dreharbeiten zu \"Coming out\" - Foto: DEFA-Fritsche

Der damalige DEFA-Direktor [Hans Dieter Mäde] sagte, solange er Direktor dieses Studios ist, wird ein solcher Film bei ihm nicht gedreht. Dennoch schrieben Wolfram Witt und ich das Drehbuch ohne Vertrag und holten uns Gutachten von einem Psychiater, einem Rechtswissenschaftler und einem Soziologen ein. Diese legten wir ins Drehbuch und gaben es ab.
Aus dem Zeitzeugengespräch mit Heiner Carow.
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Der Rechtswissenschaftler hatte geschrieben, welche Rolle die KPD in den dreißiger Jahren in der Frage der Abschaffung des Paragraphen 175 spielte und daß Thälmann im Reichstag für die Abschaffung des Paragraphen war und daß es eine große Solidarität zwischen Schwulen und Kommunisten in den KZs gab. Trotzdem versuchte Mäde, den Film zu verschleppen. Aber ich schoß das Drehbuch über die Akademie der Künste bis zu Kurt Hager hoch. Aufgrund der Gutachten konnte er den Film unmöglich ablehnen.
Aus dem Zeitzeugengespräch mit Heiner Carow.
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Horst Hartwig, Produktionsleiter
Die Premiere fand am 9. November 1989 im »International« statt. Sie war ausverkauft, und das Kino entschloß sich, noch eine Aufführung nachzuschieben. Und in der Pause waren noch die Schauspieler da und ein Teil des Stabes war schon vorgefahren zu der Schwulenkneipe, in der wir die Premierenfeier machen wollten. Das ZDF, »Aspekte«, kam zu uns, um Interviews zu machen, und wir gingen wieder auf die Bühne und verbeugten uns und fuhren los.
Während der Fahrt fiel uns auf, daß so viele fröhliche Leute auf der Straße waren, und wir kommen an der Kneipe an, da stehen Leute mit Sektgläsern und rufen: "Die Mauer ist auf!" Und wir dachten, die sind betrunken. Also an dem Tag passierte das. Es war unglaublich: Einer unserer Aufnahmeleiter ist über die Bornholmer rüber und brachte uns sozusagen als Beweis, daß es funktioniert, eine "Bild"-Zeitung mit. Ich erinnere mich noch, daß Dagmar Manzel in der Ecke saß und hemmungslos weinte. Und es gab die unterschiedlichsten Reaktionen. (...) Der Film ist noch richtig gut gelaufen, nicht nur national.

Der Tangospieler (1991)
Roland Gräf, Kameramann, Regisseur
Michael Gwisdek und Roland Gräf bei den Dreharbeiten zu \"Der Tangospieler\" - Foto: DEFA-Köfer

Ich habe das Buch unter einem ziemlich irrsinnigen Eindruck geschrieben. Während ich schrieb, verließen die Leute massenhaft die DDR. Ich hatte den Impuls: Du mußt den Film machen, du mußt das aufdecken, damit die Leute hierbleiben. Aber ich konnte nicht so schnell schreiben, wie sie weggingen. Die Ereignisse überrollten mich. Es war dann plötzlich nicht mehr die Frage, ob wir den Film machen können, sondern es war die Frage, ob es sich überhaupt noch lohnte, ihn zu machen.

Verfehlung (1992)
Angelica Domröse, Schauspielerin

Ich kam ins Studio und spürte die leeren Ateliers - mein Wohnwagen stand zwischen Grünanlage und Haus 3 -, die Toiletten wurden nicht mehr saubergemacht, die Garderoben konnte man nicht mehr benutzen. Alles war wie ausgestorben. Irgendwo im Nordkreuz drehte man Drei Damen vom Grill. In der Pause stand der Stab zusammen - vom Kameramann über den Oberbeleuchter bis zur Maske - und alle sprachen nur noch über die Arbeitslosigkeit, die auf sie zukam und wußten, Verfehlung wird ihr letzter Film sein. Das war eine schwere Zeit für mich. Ich konnte nicht mehr schlafen. Dann sind wir an Drehorte gegangen, wo ich lange nicht war - also Berlin-Mitte, Prenzlauer Berg, Alexanderplatz ... Das hat mich Kraft gekostet.
Dieser Film ist neulich im Fernsehen gelaufen und ich habe ihn mitgeschnitten und in Ruhe angesehen. Und ich meine, daß dieser Film - ich sage jetzt wirklich nichts Weises oder Großes - zu früh oder zu spät gekommen ist. (...)
Heiner Carow war überhaupt nicht eitel, er war sehr spontan, er war sehr jungenhaft, er war sehr laut - manchmal - aber das meinte er nicht so. Er wollte immer das Beste. Und ich mochte dieses Vom-Wasser-da-oben-Kommen, diesen nordisch eingefärbten Dialekt an ihm und die Warmherzigkeit - ach, lassen sie mich nicht sentimental werden.
Ich meine, er hatte immer sehr schöne Stoffe, sehr gefährdete, aber sehr gute Stoffe. Nicht durchweg, nicht mehr, als die Mauer fiel und er die erste Serie machte. Aber er wußte das und sagte zu mir: "Die Verfehlung ist der letzte Carow-Film gewesen." Er machte sich nichts vor: "Jetzt mach’ ich Carow-Serien." (...)
Er fehlt mir sehr.
Aus dem Zeitzeugengespräch mit Angelica Domröse.
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