Als QUEER schwarz-weiß war

Als QUEER schwarz-weiß war
Filmerbe-Festival

15. bis 17. November 2024

Nicht erst in jüngerer Zeit wurde das Kino ein Ort für progressive, tabubrechende und queere Themen. Crossdressing und ein anarchisches Spiel mit Genderrollen und sexuellen Identitäten begleiten die Filmgeschichte von Anbeginn. Die Stummfilme der 1910er und 1920er Jahre sind besonders reich an derart auf- und erregenden Filmstoffen und -bildern. Ihre Präsenz auf der Leinwand schuf Sichtbarkeit für andere Formen des Begehrens und blieb auch für spätere Generationen queerer Filmemacher*innen einflussreich.
In Deutschland gab es um 1919 eine kurze Zeit ohne Filmzensur, in der der bahnbrechende Film ANDERS ALS DIE ANDERN entstehen konnte. Richard Oswalds Film prangerte homophobe Gesetzgebungen offen an.
Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, endete die Epoche einer künstlerisch und politisch freien Filmkultur. Filmkünstler*innen aus Deutschland und Europa wurden in das innere und äußere Exil getrieben oder sogar in Lebensgefahr gebracht.


Ein dreitägiges Festival würdigt wichtige und teilweise vergessene Werke und Personen aus einer Phase der entstehenden queeren Filmkunst und zeigt, welche Aktualität sie noch heute haben. Stummfilmkonzerte mit Live-Musik, Einführungen und eine Buchpräsentation sowie ein DJ-Set mit Grammophon machen historische Kontexte deutlich und schlagen die Brücke zur LGBTQI+-Gemeinschaft in der Gegenwart.

Eine Veranstaltung des Filmmuseums Potsdam und der Landeskoordinierungsstelle Queeres Brandenburg. Mit freundlicher Unterstützung durch den Queerscope e.V.

Programm:

Fr., 15.11., 18 Uhr
BUCHPRÄSENTATION mit Autor Matthias Gerschwitz:
»Tü-Tü und Zack-Zack: Die fast vergessenen Karrieren von Wilhelm Bendow und Hubert von Meyerinck«

Film: Aus eines Mannes MädchenJAHREN
R: unbekannt, D: Wilhelm Bendow, Manny Ziener, Rudolf Senius, D 1913, 21'

Die Veranstaltung ist dem in Potsdam geborenen Schauspieler Hubert von Meyerinck gewidmet. Von Meyerinck lebte offen schwul, seine Karriere vollzog sich während vier politischer Systeme: Kaiserzeit, Weimarer Republik, Nationalsozialismus, BRD. Die aktuelle Buchpublikation »Tü Tü und Zack Zack« stellt von Meyerincks Handeln und Wirken dem ebenfalls homosexuellen Schauspieler Wilhelm Bendow gegenüber. Im Rahmen eines Filmabends wird die außergewöhnliche Doppel-Biografie vorgestellt.

Fr., 15.11., 20 Uhr
MICHAEL
R: Carl Theodor Dreyer, D: Walter Slezak, Benjamin Christensen, Nora Gregor, D 1924, 94'
Einführung: Dr. Michael Fürst (Filmmuseum Potsdam)

Vorfilm: VINGARNE (Ikarus)
R: Mauritz Stiller, D: Egil Eide, Lars Hanson, Lili Bech, S 1916, 13' (Ausschnitt)

Ein Maler, der schöne Jüngling, der ihm Modell steht, und eine skrupellose Adlige, das sind die Protagonist*innen einer Dreiecksgeschichte, die tragisch enden muss: Der junge Mann kann die Liebe des Malers nicht erwidern und fühlt sich stattdessen hingezogen zur Fürstin, die für ihn nicht nur Geliebte sondern auch Komplizin ist.
Carl Theodor Dreyer erzählt in diesem opulent ausgestatteten Kammerspiel vom Niedergang des Adels um die Jahrhundertwende und von der Rolle des Künstlers in der Gesellschaft. »Ein Film voll Donner heraufziehender Veränderungen. Wie die Kunst, um die Jahrhundertwende, durch den Einbruch der Sexualität in ihrer Basis getroffen wurde.« (Frieda Grafe)


Sa., 16.11., 18 Uhr

ANDERS ALS DIE ANDERN
R: Richard Oswald, D: Magnus Hirschfeld, Conrad Veidt, Anita Berber, D 1919, 51'
Live-Musik: Eunice Martins (angefragt)
Einführung: Uwe Fröhlich
(Dipl.-Kulturarbeiter)

Der Musiker Paul Körner wird aufgrund seiner Homosexualität erpresst und wegen Verstoßes gegen den Paragraph 175 angezeigt. Vor Gericht hält Magnus Hirschfeld - Arzt, Sexualwissenschaftler und Mitbegründer der ersten Homosexuellen Bewegung -, der hier sich selbst spielt, eine flammende Rede für die Akzeptanz gegenüber Homosexuellen. Als Körner wegen verurteilt wird, ist sein Ruf ruiniert. Er zerbricht daran und begeht Selbstmord. 1920 von der Zensur verboten, ist Anders als die Andern nur fragmentarisch überliefert. Durch die Ergänzung um Standbilder und Textdokumente nähert sich die 2004 vom Filmmuseum München bearbeitete Fassung dem Original an.

Sa., 16.11., 20 Uhr
DAS LIEBES-ABC
R: Magnus Stifter, D: Asta Nielsen, Ludwig Trautmann, Magnus Stifter, D 1916, 51'

ICH MÖCHTE KEIN MANN SEIN
R: Ernst Lubitsch, D: Ossi Oswalda, Curt Goetz, Ferry Sikla, D 1918, 45'

Live-Musik an der Welte-Kinoorgel: Susanne Schaak
Einführung: Dr. Johanne Hoppe

Zwei Stars der frühen Stummfilmzeit in temperamentvollen Hosenrollen: Asta Nielsen macht in Männerkleidung ihrem Verlobten vor, wie sich ein Mann in Liebesdingen zu verhalten habe. Sie trinkt und verführt Frauen. Die rebellische Ossi (Ossi Oswalda) wiederum feiert, unerkannt in Frack und Zylinder, wild mit ihrem Hauslehrer. Die Protagonistinnen beider Filme stellen die Genderkonventionen in Frage, um für ihre Freiheit einzustehen. Das leichtfüßige Spiel mit Geschlechterrollen dient der Emanzipation und der Erfüllung des eigenen Verlangens.


So., 17.11., 18 Uhr

DJ-Set mit Grammophon und Schellack-Platten: Heike Zapf

So., 17.11., 19 Uhr
VIKTOR UND VIKTORIA
R: Reinhold Schünzel, D: Renate Müller, Hermann Thimig, Adolf Wohlbrück, D 1933, 99'
Einführung: Guido Altendorf (Filmmuseum Potsdam)

Den Abschluss bildet die 1933 uraufgeführte musikalische Komödie VIKTOR UND VIKTORIA. Mit Reinhold Schünzels in Potsdam-Babelsberg gedrehter Verwechslungs- und Geschlechterkomödie zeigte sich noch einmal der freie Geist der Weimarer Republik, kurz bevor der Nationalsozialismus die Filmindustrie gleichschaltete. Seither hat es weltweit Remakes des Films gegeben.