Trauerrede Klaus Staeck

Klaus Staeck auf der Trauerfeier für Frank Beyer



Für Frank Beyer
In zwei Wochen mit Frank Beyer und Oskar Pastior gIeich zwei so wichtige Menschen zu verlieren, das ist selbst für ehe 310 Jahre alte Akademie zu viel, einer Institution, welcher der Tod schon wegen des Lebensalters vieler ihrer Mitglieder vertraut ist, ohne sich deshalb daran gewöhnen zu können.

Die Akademie, für die ich hier spreche, verneigt sich mit dieser Feierstunde in tiefer Trauer vor ihren Mitglied Frank Beyer. Selten war ich mir so gewiss, dass ich hier im Namen aller, wirklich aller sprechen kann.

Mit dem Wort Freundschaft eher vorsichtig umgehend, bleibe ich bei dem bescheideneren "wir mochten uns" von der ersten flüchtigen Begegnung an. Es war diese Art von Vertrautheit, die sich aus einer vermuteter Ähnlichkeit im Denken, Fühlen und Handeln speist, ohne dem Zwang einer ständigem Bestätigung dieser Annahme zu unterliegen.

Nie gab es zwischen uns einen Hauch von Kräftemessen wie unter Künstlern gelegentlich üblich oder gar Streit, sondern immer nur Neugier aufeinander. Ich erinnere mich an das Gefühl großer Freude bei jedem Wiedersehen - meist in dieser Akademie - die er für wichtig hielt. Er gehörte auch zu den Mitgliedern, die es mir schließlich möglich machten, sehenden Auges in die Falle der Akademiepräsidentschaft zu laufen in der Hoffnung, dass sich der zu erwartende Kräfteverschleiß im Rahmen halten würde. Ich war mir sicher, dass es da auch ihn gibt, der mich schon unterstützen würde, wenn es einmal wirklich Ernst würde. Das kann er nun nicht mehr.

Unsere Begegnungen, so kurz sie auch manchmal waren, waren für mich auch so etwas wie Selbstvergewisserungen, dass es sich lohnt, Haltung zu bewahren und für seine Überzeugungen zu leben, trotz aller Widrigkeiten, die das Leben und die Menschen bereit halten. In unseren Gesprächen ging es immer um Praktisches, wir verloren nie Zeit mit Ping-Pong-Spielen, zu denen wir wohl auch gar nicht fähig gewesen wären.

Für mich war er immer auch der verlässliche Handwerker mit einer Handwerkerehre, die gebot, ein verlässliches Werk abzuliefern aus Treue zu den eigenen Maßstäben und Respekt vor dem Anspruch des Publikums, nicht betrogen und nicht gelangweilt zu werden. Ohne Frank Beyer schon persönlich zu kennen, hatte ich Gelegenheit und das Glück - aufmerksam gemacht durch meine 1966 in Bitterfeld lebenden Brüder - wenigstens Ausschritte aus Spur der Steine zu sehen. Es war erfrischend zu sehen, wie da jemand dem oft trüben sozialistischen Alltag eine Lebensfreude abgewonnen hatte, die geradezu ansteckend wirkte.

Dass die damals verantwortlichen Zensoren glaubten, diese fröhliche Anarchie den DDR-Bürgern nicht zumuten zu können, war mir ein weiterer Beweis ihrer Engstirnigkeit- Sie waren nicht in der, Lage zu erkennen, welche Kraft in diesem Film steckte und welche Energie da verschenkt wurde, als sie ausgerechnet diesen Film verboten. Hätte es die in Franks Film geschilderte DDR im, real existierenden Alltag tatsächlich gegeben, ich glaube, meine eigene Flucht in den Westen 10 Jahre zuvor, wäre für mich nicht so selbstverständlich gewesen.

Denn der Film war ja ein Vorschlag, wie man das Leben auch hätte leben können, ja leben müssen. Dabei kamen Franks Filme nicht aus einer der viel beschworenen Traumfabriken der Ablenkungskultur. Er ging stets mit ehrlicher Intensität an die Arbeit, frei von jeder ideologischen Verblendung. Gerade seine politische Unvoreingenommenheit war es wohl, die ihn bei all jenen Kulturverwaltern verdächtig machte, für de der Klassenfeind hinter jeder Filmrolle lauerte.

In seinen Filmen war er stets ein sorgfältiger und kritischer Arbeiter. Und ich wage zu behaupten, dass er die Verbrechen des Faschismus eindringlicher aufgearbeitet hat als viele seiner westlichen Kollegen. Vielleicht war das auch seiner Liebe, zur Literatur geschuldet und seiner Freundschaft und Begegnung mit Schriftstellern wie Erich Loest, Bruno Apitz, Urich Plenzdorf, Volker Braun, Klaus Poche und Wolfgang Kohlhaase. Und vor allem dem unvergessenen Jurek Becker. Frank Beyer war für mich auch so etwas wie eine lebende Brücke zu Jurek. Wenn man nicht all zu gläubig ist und des ewigen Lebens Verheißung nicht sicher ist, dann braucht man solche Scharniere in ein Niemandsland, das wir uns angewöhnt haben, das Totenreich zu nennen. Nun bleiben für mich nur noch Karin Kiwus und Christine Becker als irdische Verbindungsleute zu Jurek und Frank Beyer.

Am Schluss eines beeindruckenden Nachrufes in der ZEIT für einen "Handwerker, der aber gezeigt hat, wie sich Handwerk zu genialer Kunst steigern lässt" stehen die schlichten Sätze: "Nun ist er im Alter von 74 Jahren gestorben. Es ist ein großer Jammer". Wie wahr. Aber wir würden Frank Beyer sicher enttäuschen, wenn wir vom großen Jammer zum all zu verbreiteten Jammern übergehen würden, Denn bei aller Trauer sollten wir uns immer wieder freuen, dass wir eine bestimmte und nun durch seinen Tod begrenzte Zeit mit dem verlässlichen Freund und wunderbaren Menschen verbringen und mit ihm arbeiten konnten.