Thälmann, Muck Co. - Originale aus den Sammlungen des Filmmuseums

Blick in die Ausstellung; F: A. Klaer
18. Juli 2008 - 21. Juni 2009

Mit Stücken aus der DEFA-Sammlung erweiterte das Filmmuseum seine Ständige Ausstellung zur Babelsberger Filmgeschichte, darunter bekannte, in der Mehrheit aber unbekannte oder lange nicht gezeigte Exponate: akribisch gebaute Filmmodelle, atmosphärisch dichte, malerische Szenenbildentwürfe, mit Stoffproben versehene Entwürfe von Kostümbildnern, ausdrucksstarke Filmplakate und nicht zuletzt Filmtechnik, die bei der DEFA zwischen 1946 und 1990 zum Einsatz kam. Viele der ausgestellten Stücke trugen sichtbare Gebrauchsspuren und die Patina vergangener Jahrzehnte - eine Entdeckungsreise in die jüngere Film- und Zeitgeschichte anhand konkreter Filmproduktionen.
Die Exposition verwies auf die Museumssammlung als Schatzkammer der Geschichte: Manches Stück gelangt zu Ruhm, anderes bleibt unbeachtet. Sammlungsgegenstände liegen gewöhnlich in trautem alphabetischen Nebeneinander in den Archivregalen, die Zeit auf ihrer Seite. Immer wieder graben sich Historiker durch die Bestände, wählen aus, stellen Zusammenhänge her, bewerten. Jede Generationen sieht mit anderen Augen auf dieselben Dinge, entdeckt Neues, Überraschendes - so auch diesmal.

Kuratoren: Ugla Gräf und Mitarbeiter der Sammlungsabteilung

Presse | Filmreihe + Themenführung: "Filmtechnik im Lauf der Zeit"

Blick in die Ausstellung

«Die Geschichte vom kleinen Muck» (1953) © FMP
«Die Geschichte vom kleinen Muck» (1953) Filmrequisiten © Andreas Klaer
Ernst Thälmann - Führer seiner Klasse (1954)  Ernst Thälmann - Sohn seiner Klasse (1955)  Blick in die Ausstellung © Andreas Klaer


Der Rat der Götter (1950) «Gut Bergfried» mitVorsatzmodell © Andreas Klaer
Der Rat der Götter (1950) «Gut Bergfried» © Andreas Klaer
5mm-Handkamera Cameflex Standard (1961) © Andreas Klaer


Die schwarze Galeere (1962) © FMP
Die schwarze Galeere (1962) © Andreas Klaer
Der verlorene Engel (1966/1971)  «Schwebende Engel» von Ernst Barlach © Andreas Klaer


Orpheus in der Unterwelt (1974) Flugmaschinen für die Fahrt der Götter in die Unterwelt © Andreas Klaer
Orpheus in der Unterwelt (1974) Der Olymp © Andreas Klaer
Orpheus in der Unterwelt (1974) Der Olymp © GRAPPA Berlin


Goya (1971) Kopien der Goya-Gemälde Werkstatt Atelier Francisco de Goyas © Andreas Klaer
Goya (1971) Modell des Goya-Ateliers © Andreas Klaer
35mm-Kamera DEFAFLEX 35 (1968) © Andreas Klaer


Das Schloss des Hochgrafen Julius Oertel von Rattenzuhausbeiuns und seiner Tochter Gritta © FMP
Gritta von Rattenzuhausbeiuns (1985) Thronrettungsmaschine des Hochgrafen Julius Oertel von Rattenzuhausbeiuns © FMP
Ein Schneemann für Afrika (1977)  © FMP


Olle Hexe (1991) Im Reich der bösen Hexe © Andreas Klaer
Olle Hexe (1991) Die Riesenspinne, Gehilfin der «ollen Hexe»  © Andreas Klaer



PRESSE
Die Magie der Illusion
Potsdamer Neueste Nachrichten, 16. Juli 2008, Heidi Jäger

Die Ausstellung "Thälmann, Muck & Co" zeigt ab 18.7.2008 Originale aus der Filmmuseums-Sammlung

Das Tor zum Palast des Sultans funkelt verführerisch. Es öffnete einst dem "Kleinen Muck" eine schillernde Welt und ist jetzt die märchenhafte Einstimmung auf die Ausstellung "Thälmann, Muck & Co", die ab morgen im Filmmuseum zu sehen ist. Die mit bunten Glassteinen besetzte Pforte gehört zu den akribisch gefertigten Details, mit denen Szenenbildner und Kunsthandwerker der DEFA einst zu begeistern wussten. Jetzt wurden Modelle, Requisiten, Plakate, Entwürfe und schwergewichtige Filmtechnik vom Archivstaub befreit und ergänzend zur Dauerausstellung "Gesichter einer Filmstadt" aufpoliert. Sie bilden das die Sinne besonders belebende, dreidimensionale Pendant zu den hinter Glas geschützten Exponaten.
Die ergänzenden Schaustücke nehmen den Zeitstrahl der ständigen Ausstellung auf und sind ebenfalls in fünf Kapiteln unterteilt. An die Anfänge erinnert das fliederfarbene, mit weißen Glasperlen bestickte Seidenkleid Jenny Jugos in der Komödie "Träum’ nicht Annette!". Auch ein Vorsatz-Modell zu Kurt Maetzigs Film "Der Rat der Götter" führt bis 1950 zurück: Es zeigt, wie die bayrischen Alpen kurzerhand nach Thüringen versetzt wurden. Ein passgenau zurechtgeschnittenes Bild des mit Schnee bedeckten Massivs wurde einfach vor die Berghütte gehalten und durch technische Raffinesse verblüffend echt in die Landschaft integriert.

Aus Klein mach Groß hieß auch die Devise beim trickreichen Agieren für den Film "Die schwarze Galeere". Die routinierte Babelsberger Filmcrew baute in einer riesigen Halle ein ebenso riesiges Wasserbassin und lieferte sich in ihrer "Bucht von Antwerpen" mit den selbstgebauten Schiffen wilde Kämpfe. Die halbmeter hohe, abgetakelte "Andrea Doria" mit ihren zehn Segeln erinnert an diesen Feldzug am "gefluteten" Set.

Etwas mitgenommen sehen Frosch- und Eselsmaske aus, die wohl in verschiedenen Filmen über die Leinwand flimmerten. Ihr Debüt lieferten sie jedoch 1964 in "Die goldene Gans", als sie vergeblich die Prinzessin zum Lachen bringen wollten.

Von der Kunst der Babelsberger "Fälscher-Werkstatt" zeugen die Bilder aus dem großen "Goya"-Film Konrad Wolfs, die täuschend echt den Porträt-Streifen illustrierten. Unter der Gemälde-Wand schaut man in das Atelier des spanischen Malers, das Filmarchitektin Gisela Schultze 1971 nach dem Szenenbildentwurf Alfred Hirschmeiers einfühlsam modellierte. Ihre meisterliche Hand legte sie auch an das traumhaft-entrückte Modell von "Orpheus in der Unterwelt" oder beim schaurig-schönen Schloss von "Gritta von Rattenzuhausbeiuns" an.

Bis in die 90er Jahre hinein wird dem Betrachter Filmgeschichte zum Anfassen präsentiert. Am Ende gibt es in der von Ugla Gräf betreuten Ausstellung die "Couch in New York", zu der in Babelsberg eine Luxuswohnung mit Blick auf die Skyline des "Big Apple" nachgebaut und geschickt ins Bild gesetzt wurde.

Über die "Helfershelfer" der pfiffigen Filmemacher kann sich der Besucher ebenfalls informieren: Da fährt ein riesiger Tongalgen seinen Arm aus, erinnert der fahrbare "Dolly", Marke Eigenbau mit DDR-Mopedsitz, an die Kunst des Improvisierens. "Technik war ebenso wie das Set-Design ein Handwerk, für das man sich bei der DEFA viel Zeit ließ", so Filmtechnik-Archivar Ralf Forster. Es sei ab den späten 60ern aber auch Technik aus dem Westen eingekauft worden.

Über all’ den Tonaufnahme- und Beleuchtungsriesen, dem knuffigen "Schneemann für Afrika" oder dem düsteren Reich der "Ollen Hexe" ruht Barlachs Schwebender Engel: dem Original aus Güstrow zum Verwechseln ähnlich. Die Magie der Illusion wird durch diese auf ein Jahr angelegte Ausstellung bestens geschürt und zugleich entblättert.

Filmreihe zur Ausstellung


Juli 2008 - Juli 2009:
Der Film zum Ausstellungsstück - unter diesem Motto stand die Filmreihe zur Schau, mit der wir unsere ständige Ausstellung erweitert hatten. Der Anlass für die Filmauswahl sind Modelle oder Szenenbild- und Kostümentwürfe, auch Plakate, Kostüme und Technik aus vier Jahrzehnten DEFA-Geschichte.
Eine Mini-Publikation: "deutschland sichten" liefert ausführliche Informationen zu ausgewählten Filmen.
In regelmäßigen Themenführungen wurden die Exponate näher vorgestellt.

Eröffnet wurde die Filmreihe mit der sommerlich-beschwingten Operetten-Adaption von Jacques Offenbach: Orpheus in der Unterwelt
Ein Film der Superlative, nicht nur, was das 70-mm-Format betrifft, vor dem wir mit unserem Kino leider passen müssen. Horst Bonnet, renommierter Regisseur an der Staatsoper Berlin, inszenierte die Operette als Reminiszenz an Reinhold Schünzels Film "Amphitryon". Häufig wird das große Vorbild augenzwinkernd zitiert.
Szenenbildner Alfred Hirschmeier baute einen beeindruckenden Olymp als Architekturmix aus Antike und Second Empire. Das entsprechende Modell und die 70-mm-Kamera sind in der Ausstellung zu bewundern. Ein graziöser Höhepunkt des Films ist die Fahrt der Götter in die Unterwelt, mit phantasievollen Flugmaschinen wie aus einem Roman von Jules Verne - zu erleben auf der Leinwand und zum Greifen nah.
In der Eröffnungswoche lief in den Kindervorstellungen:
Die Geschichte vom kleinen Muck .
Das bunte Treiben einer weiteren Jacques Offenbach-Verfilmung: Die schöne Lurette begleitete die Ausstellung, in der u.a. farbenprächtige Kostümentwürfe Hans Kieselbach zu bewundern waren.
Passend zum Jahreswechsel gab ein weiteres DEFA-Musical: Silvesterpunsch und gegen den Silvesterkater die allererste DEFA-Schlagerrevue: Meine Frau macht Musik .
Das im Film Eine Couch in New York gezeigte Luxusapartment mit Blick auf den Central Park, ist entstanden in der Mittelhalle des Studios Babelsberg, die New Yorker Skyline in der Modellwerkstatt. Sie war 21 Meter lang und nur neun Meter vom Set des Apartments entfernt. Vor die Modelle wurde schwarzer Tüll gespannt, der wie ein Filter wirkte und ihren naturalistischen Eindruck verfremdete. Einige der Modellhochhäuser waren in die Sammlung des Filmmuseums gelangt und in der Ausstellung anzuschauen.

"Filmtechnik im Lauf der Zeit" Themenführung + Film
Die thematische Führung vermittelte anhand von Ausstellungsobjekten Innovationen der Filmtechnik aus 40 Jahren DEFA. Kameras, Scheinwerfer und Tongeräte waren und sind für die Filmproduktion unerlässlich. Ob geblimbte Studiokamera oder Handkamera, stationäre Lichttonapparatur oder mobiler Magnetbandrekorder, ob 125 Kg-Scheinwerfer oder leichtes Kameravorderlicht - stets hinterlassen die technischen Geräte bleibende Spuren im Film. Dabei konnte die DEFA mit viel Ideenreichtum und Improvisationsvermögen Anschluss an internationale Entwicklungen halten.
Dr. Ralf Forster, Filmtechnikhistorikers / Kustos der Filmtechniksammlungbot die Chance, seltene Schätze der Sammlungen aus dem Blickwinkel ihres Gebrauchs erklärt zu bekommen und somit die Arbeit beim Film besser zu verstehen. Er berichtete in zwei Führungen vor allem von den Bedingungen, unter denen die ersten DEFA-Filme entstanden. Es fehlte an allem, im Alltag und in den Filmateliers in erster Linie an Strom und intakter Technik, nicht aber an Talenten und "Sendungsbewusstsein".
Filme zur Führung:
Straßenbekanntschaft
Das zweite Gleis

Eine weitere Führung, durchgeführt vom Trickkameramann Erich Günther, widmete sich dem Film: Der verlorene Engel
1926/27 schuf Ernst Barlach zum Gedenken an die Toten des Ersten Weltkrieges sein bekanntestes Werk "Der Schwebende". 1937 wurde es in einer Nacht- und Nebelaktion von den Nazis beschlagnahmt und eingeschmolzen. Eine Kopie des berühmten Engels im Güstrower Dom hing in der Ausstellung und wird jetzt wieder in den Sammlungen des Filmmuseums aufbewahrt.