Märkische Forschungen

Kino - Kein Ende
25. - 29. Februar
Filme, so wird immer wieder behauptet, können die Welt und die Menschen in ihr nicht verändern. Vielleicht stimmt das, aber schon immer war es für mich ein magischer Moment, wenn das Licht im Kinosaal erlischt, der Gong ertönt, der Vorhang sich öffnet, Bild und Ton starten und ich mich auf Geschichten, Emotionen, Ideen oder Dokumente einlasse, die mich und meinen Blick auf die Welt - in den besten Fällen - korrigieren, verstärken oder verrücken. Und immer wieder kommt es zu großartigen Überraschungen. Im letzten Jahr sah ich von Chris Marker Der letzte Bolschewik (1993; 25., 28. und 29. Februar, 2. März): Wie zum ersten Mal erlebte ich Kino und war beziehungsreich ver-rückt. Wie ein Zauberer schneidet Marker (Fotograf, Schriftsteller, Journalist und Filmautor) in seiner Hommage an seinen Freund und "letzten bolschewistischen Filmemacher" Alexander Medwedkin Einstellungen, die ein unsichtbar Drittes erzeugen. Die Trauer um den Verlust einer Utopie war es sicher bei mir, die mich emotional so erfasste. Den zitierten surrealistischen Stummfilm von Medwedkin "Das Glück" zeigt das Filmmuseum im kommenden April.
Viele Jahre blieb der starke Eindruck des DEFA-Films Märkische Forschungen (25. und 29. Februar, 2. März): Bei genauer Beobachtung kann man auf dem Geburtstagstisch von Prof. Menzel ein kleines Buch entdecken - "Märkische Forschungen" von Günter de Bruyn. Roland Gräf verfilmte den Roman in der DDR des Jahres 1982, ganz sicher nicht absichtslos: Gegenspieler sind der wahrheitsliebende Landlehrer Pötsch und Menzel, illusionsloser, affirmativ schreibender Geschichtsprofessor aus Berlin. Gegenstand und interpretatorischer Zankapfel zwischen beiden sind Leben und Werk des märkischen Dichters Max von Schwedenow. Pötsch, der den von Menzel hochgehaltenen Mythos vom vorbildlichen Heldenleben Schwedenows durch seine Forschungen im wahrsten Sinne untergräbt, war und ist Sinnbild für Integrität und Eigensinn gegen staatlich verordnete Denkbilder. Der 1969 in einem iranischen Kurdendorf geborene Bahman Ghobadi, glaubt fest an die soziale und politische Funktion des Kinos: Zeit der trunkenen Pferde (2000; 26., 27. und 28. Februar) und "Schildkröten können fliegen" (2004) waren für mich filmische Entdeckungen und hinterließen mich atemlos. Ghobadi erzählt ohne jede filmische Raffinesse reale Geschichten aus dem Blickwinkel von Kindern, fast immer durch Laiendarsteller verkörpert: Der Überlebenskampf von fünf Waisenkindern in einem iranisch-kurdischen Bergdorf zwingt das Familienoberhaupt, den zwölfjährigen Ayub, sich einer Schmuggelbande anzuschließen, die mit Whiskey ihre Lasttiere für den beschwerlichen Weg durch das kalte, schneebedeckte Bergland ‚fit machen'.
"Was heute das Kino für mich bedeutet: Die Möglichkeit, Tod und Leben darin zu finden und einiges dazwischen."(Ilse Eichinger in "Film und Verhängnis")
Dorett Molitor

Vergangene Vorstellungen

25 Februar 2008 | 20:00
29 Februar 2008 | 18:00
02 März 2008 | 20:00

Carte Blanche für Dorett Molitor