Ein Brief ohne Worte

Beide Filme setzen sich damit auseinander, welche (medialen) Wege die Erinnerung an den Holocaust nehmen kann. In Dachbodenstimmen wird die Protagonistin, die 1953 nach Montreal auswanderte, nach vielen Jahrzehnten des Schweigens mit dem Schicksal ihrer Schwester konfrontiert. Diese kam in Theresienstadt um, wo sie als 12-Jährige Herausgeberin der von Kindern gestalteten Zeitschrift »Dachbodenstimmen« war.
Ein Brief ohne Worte präsentiert einzigartiges Filmmaterial: Die 1954 verstorbene Großmutter der Filmemacherin hinterließ zahlreiche 16mm-Rollen mit Aufnahmen (auch auf damals seltenem Farbfilm!), die das Leben ihrer Familie in Deutschland vom Ersten Weltkrieg an bis 1938 zeigen. Privates Filmen war damals äußerst ungewöhnlich und ab 1933 sogar verboten. Zu sehen sind u.a. Persönlichkeiten wie Albert Einstein, Leo Baeck, Walter Gropius und Brigitte Helm sowie Aufnahmen aus der Neuen Synagoge in Berlin wie auch des Potsdamer Schlosses, der hiesigen Nikolaikirche und der Garnisonkirche. Indem aus dem Tagebuch der Großmutter vorgelesen wird und Familienmitglieder nach dem Schauen des Filmmaterials aus der Vergangenheit erzählen, bringt die Regisseurin das stumme Material zum Sprechen und tritt in einen Dialog mit der Großmutter, die sie nie persönlich kennengelernt hat.

Zur Filmreihe:
Die Befreiung von Auschwitz jährte sich 2015 zum 70. Mal. Das Filmmuseum stellt vom 3. bis 8. November vier Dokumentarfilme zum Holocaust vor - ausgewählt aus einem Pool von insgesamt 46 Dokumentar- und Experimentalfilmen, die das Arsenal - Institut für Film und Videokunst im Rahmen des Projektes »Asynchron« bundesweit Kinos sowie Kultur- und Bildungsreinrichtungen zur Verfügung stellt. Seit Jahrzehnten engagiert sich das Arsenal für Filme, die Zeugnis über den Holocaust ablegen und eine Auseinandersetzung mit dem Gedenken daran suchen. Für »Asynchron« konnten einige der Filme digitalisiert werden und sind dadurch in den zunehmend ausschließlich digital ausgestatteten Kinos weiterhin vorführbar. Das Filmmuseum zeigt zwei der neu bearbeiteten Fassungen - »Der 81. Schlag« und »Stimmen aus dem Wald«. »Ein Brief ohne Worte« wiederum wird von 16mm vorgeführt. Somit steht »Asynchron« im doppelten Sinne - das Vorführmaterial betreffend und inhaltlich - für eine Neubegegnung mit Filmen über den Holocaust aus der historischen Distanz und für ihre Verortung in der Gegenwart.

Vergangene Vorstellungen

03 November 2015 | 17:00
06 November 2015 | 19:15

Asynchron - Dokumentar- und Experimentalfilme zum Holocaust