Aus "Preußen aus Celluloid"

Zum Geleit
Muss das Filmmuseum Potsdam wirklich bei jeder Preußen-Wiederbelebungs-und-Neubetrachtungs-Aufwallung dabei sein? Auf preußische Jubiläen, so auf Königin Luises 150. Todestag 2010 und nun auf den 300. Geburtstag von Friedrich II. 2012, reagiert das Museum jedes Mal mit Filmrestaurierungen, Publikationen, Veranstaltungen und Ausstellungen. Warum?
Dafür gibt es mehr als einen Grund. Das Filmmuseum residiert nicht nur im Herzen Potsdams, das erst als preußische Residenz überhaupt zu einer erwähnenswerten Stadt wurde, sondern darüber hinaus im königlich-preußisch Reitpferdestall, der seine gegenwärtige Gestalt einem Auftrag Friedrich II. an seinen Baumeister Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff verdankt. Der Marstall war Teil des Stadtschloss-Ensembles, das mit dem Bau des neuen brandenburgischen Landtages architektonisch ab 2013 wieder als solches zu erleben sein wird. Vor der Marstall-Tür bestieg der Alte Fritz sein Pferd. Vor der Marstall-Fassade marschierten preußische Soldaten, die von Friedrichs Vater und die seiner Nachfolger. Im Marstall wurde 1922 ein Garnisonmuseum eingerichtet, mit Stücken, die Konservative 1920 aus dem Zeughaus vor immer noch revolutionär gestimmten Berlinern retten wollten. Von Potsdamern, die bis weit über das Ende Preußens hinaus königstreu blieben, weiß die Stadtgeschichtsschreibung einiges zu berichten.
Und: In Potsdam wurden Preußen-Filme gedreht, zum Teil an Originalschauplätzen. Auch die Ufa tat mit. Das Filmmuseum Potsdam widmet sich der Geschichte und Gegenwart dieses weltweit langlebigsten Großfilmstudios in Babelsberg. Das Publikum wollte und will solche Filme wiedersehen, denn sogar in der Spätzeit der DDR war das Museumskino jedes Mal gefüllt, sobald ein Preußenfilm gegeben wurde. Den großen Friedrich sehen - und sei es als Kinofiktion - dieses Bedürfnis verspüren manche Preußenfreunde und Neugierige aus nachgewachsenen Generationen. Tapfer oder interessiert ertragen sie die teils sehr kritischen Betrachtungen von Preußenanalytikern, die solche Vorführungen nicht erst neuerdings ergänzen.
Das jüngste Jubiläum führte zu einer abermaligen Durchsicht des erhaltenen Filmmaterials. Wie der König und seine Umgebung im 20. Jahrhundert neu erfunden wurden, warum diese Erfindungen so erfolgreich waren und wie sie als Nachbild im Bewusstsein mancher Heutiger immer noch geistern, davon handelt dieses Buch. Es konnte dank einer Kooperation des Filmmuseums Potsdam mit dem Institut für Kunst- und Bildgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin entstehen, die von der Volkswagen Stiftung gefördert wird. Verglichen mit Vorläuferpublikationen zum Thema deuten schon die Überschriften der Beiträge einen erfreulichen neuen Zugang an: freiheitlicher, humorvoller. Preußen und seine Konstruktion durch das Kino sitzen uns nicht mehr so dicht auf der Pelle - und das ist gut so.

Bärbel Dalichow / Direktorin des Filmmuseums Potsdam

Inhalt
Andreas Kilb:
Der Mann aus Marmor. Friedrich der Große als Heldenfigur in den Filmen der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus

Guido Altendorf:
Darf der alte Fritz singen? Friedrich II. als Komödienfigur im deutschen Film

Michael Gebühr:
Der falsche Fritz: Über seinen Vater Otto Gebühr

Annette Dorgerloh:
Friderizianisches Rokoko? Die Filmräume des Preußenkönigs

Marcus Becker:
Der König vor Ort. Szenographische Anmerkungen zum großen Kino-Friedrich der 1920er und 30er Jahre

Hubertus Fischer:
Friedrichs Blicke

Anett Werner:
Die Verbotsschlaufe. Der Schriftsteller Walter von Molo, der Fridericus-Film (1936) und die Zensur

Kathrin Nachtigall:
Von Bismarck bis Liebknecht - Frideriziana im Historienfilm

Filmographie