Babelsberg - Gesichter einer Filmstadt

Babelsberg - Gesichter einer Filmstadt
Die Ausstellung "Babelsberg - Gesichter einer Filmstadt"
(Veränderung 2006: Integration von Wechselausstellungen)
Babelsberg ist ein Synonym für Film - das älteste Filmstudio der Welt. Gegründet von 1911/12 von der Bioscop, war es Heimat der beiden großen Firmen Ufa und DEFA und ist heute als Studio Babelsberg ein Zentrum internationaler und deutscher Filmproduktion. Die Ausstellung behandelt die Geschichte des berühmten Studios und stellt Filme und Künstler von Ufa, DEFA und Studio Babelsberg vor. Ein Zeitstrahl erinnert an die Realität jenseits der Leinwand. Im Fokus stehen die DEFA-Jahre, die mit ihren Filmen, gewollt oder unbeabsichtigt, der DDR ein Denkmal setzten - und nun in Vergessenheit zu geraten drohen.

Mitunter war die Produktionsgeschichte spannender als mancher Film. Den Weg von der Filmidee bis zur Leinwand begleiten Heerscharen von Enthusiasten: Künstler, Handwerker, Organisatoren, Ökonomen. Was aus ihrer Arbeit wurde und sogar über ihr persönliches Schicksal, darüber urteilten während der beiden deutschen Diktaturen Entscheidungsträger in politischen Chefetagen und Zensoren. Diese politische Dimension der Filmherstellung wird in der Babelsberger Geschichte besonders deutlich. Die Basis dieser Schau bilden gegenständlichen Hinterlassenschaften von Babelsberger Produktionen aus den Sammlungen des Museums und Erinnerungen von Zeitzeugen. Mehr als 500 Originale geben eine Ahnung davon, welche Teamleistung hinter jedem Film steckt.
Kuratoren: Guido Altendorf, Bärbel Dalichow, Renate Schmal

Daten und Fakten


Rundgang

1912 - 1945: Bioscop - Decla-Bioscop - Ufa
1946 - 1953: DEFA
1954 - 1966: DEFA
1967 - 1976: DEFA
1977 - 1994: DEFA
1994 - heute: Studio Babelsberg

1912 - 1945: Bioscop - Decla-Bioscop - Ufa

Postkarte "Siegfried" zum Film &qout;Die Nibelungen" (1924)


Blick in die Ständige Ausstellung - Ufa-Vitrine
Blick in die Ständige Ausstellung - Ufa-Vitrine
Blick in die Ständige Ausstellung - Ufa-Vitrine


Babelsberg, ein ehemaliges Fabrikgelände, wird seit 1912 für die Filmproduktion genutzt. Die Bioscop, eine kleine Berliner Filmfirma, kauft 1911 das große Areal, baut an das alte Fabrikgebäude ein neues Glasatelier an und produziert dort 1912 den ersten Film: Der Totentanz (RE: Urban Gad). Hauptdarstellerin ist der erste große europäische Filmstar Asta Nielsen. Durch ihr zurückhaltendes Spiel vor der Kamera erhebt die Nielsen das junge Medium Film zur seriösen Kunst. In Erdgeist (1923; RE: Leopold Jessner) zeigt sich die Dänin in ein raffiniertes Fransentuch gehüllt, das als Tischdecke auch ihre Berliner Wohnung zierte und heute in der Ausstellung zu sehen ist.

Während des Ersten Weltkriegs kommt die Babelsberger Produktion fast zum Erliegen. Als an der Westfront die ersten verheerenden Gasangriffe geführt werden, kann Paul Wegeners Film Der Golem (1915) einen künstlerischen Achtungserfolg erzielen. Paul Wegeners Filme sind Pioniertaten, die dem jungen Studio zu Ansehen verhelfen; vor allem mit märchenhaften Stoffen erwirbt er sich große Reputation. In den 30er Jahren zieht sich Wegener als Filmregisseur zurück und arbeitet ausschließlich als Darsteller.

In den frühen 20ern fusioniert die Bioscop aufgrund finanzieller Probleme zunächst mit der Decla (Deutsche Eclair) zur Decla-Bioscop, kurz darauf mit der 1917 gegründeten Ufa (Universum Film AG). Die Fusion bereichert Babelsberg um Ressourcen und Künstler, die der Produktionsstätte bald Weltruhm eintragen. Technische und künstlerische Neuerungen bringen die Welt zum Staunen - die "entfesselte Kamera" ist eine Babelsberger Innovation ersten Ranges. Bei den Aufnahmen für F. W. Murnaus Film Der letzte Mann (1924) wird die bislang feste Verbindung von Kamera und Stativ gelöst und das Aufnahmengerät auf verschiedenste Weise in Bewegung versetzt: auf einem Fahrrad, in einem abwärts sausenden Korb oder dem genialen Kameramann Karl Freund vor die Brust geschnallt. Der Erfindungsreichtum verblüfft - selbst Hollywood schickt seine besten Kameramänner als Hospitanten nach Babelsberg.
Eines der ältesten erhaltenen Exponate stammt aus einem Murnau-Film: die ägyptische Perücke des Darstellers Martin Wolfgang aus dem nicht mehr erhaltenen Film Satanas (1920).

Missmanagement führt die Ufa an den Rand des Ruins. Produktionszeiten von bis zu zwei Jahren für einen einzelnen Film und ein immer größerer Hang zum Eskapismus gipfeln in Fritz Langs Sciencefiction Metropolis (1927). Infolgedessen muss die Ufa einen Knebelvertrag mit amerikanischen Firmen schließen. Alfred Hugenberg, Inhaber eines rechtsgerichteten Pressekonzerns, kauft die Ufa 1927 aus dem Kontrakt mit den Amerikanern frei. Von nun an wird, neben massenwirksamer Unterhaltungsware wie bisher, verstärkt Reaktionäres produziert.

Vor allem mit Unterhaltungsfilmen hat die Ufa in den 30er und 40er Jahren Erfolg. Stars wie Hans Albers, Lilian Harvey, Willy Fritsch, Heinrich George oder Marika Rökk prägen den Ufa-Film. Zum großen Erfolg wird die Komödie Die Feuerzangenbowle (1944; RE: Helmut Weiss) mit Ufa-Star Heinz Rühmann als Primaner "Pfeiffer mit drei ‚F'". Aus dem bis heute sehr populären Film ist eine der Schulbänke erhalten geblieben. Das einzig erhaltene Kostüm des Vorzeigestars Zarah Leander aus der Ufa-Zeit ist ebenfalls in der Ausstellung zu sehen. Es stammt aus Das Herz der Königin (1940; RE: Carl Fröhlich).

Beliebt sind bereits in den 20ern patriotische Historienfilme über den Preußenkönig Friedrich der Große. Die Hauptrolle wird in 14 Streifen von dem Schauspieler Otto Gebühr verkörpert. Seine Filmperücke aus Fridericus Rex (1922/24; RE: Arzen von Czérepy) ist in der Ausstellung zu finden.
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 wird vermehrt Propaganda produziert: Bei der Ufa entstehen antisemitische Filme wie Jud Süß (1940; RE: Veit Harlan), Kriegspropagandafilme wie Stukas (1941; RE: Karl Ritter) oder, gegen Ende des Krieges, sogenannte "Durchhaltefilme" wie Kolberg (1945; RE: Veit Harlan), für dessen Heeresaufnahmen auf Geheiß von Reichspropagandaminister Goebbels Soldaten gegen den Protest ihrer Generäle von der Front abgezogen und als Statisten eingesetzt werden.
Aus einem der letzten Filme der Ufa, Unter den Brücken (1945/1950; RE: Helmut Käutner), ist in der Ausstellung das Akkordeon von Darsteller Carl Raddatz zu betrachten. Der Film wird auf der Havel in der Nähe von Potsdam gedreht, als die Rote Armee bereits kurz vor Berlin steht. Der unpolitische, wunderschöne Liebesfilm passiert noch 1945 die Zensur, kommt aber erst 1950 in die Kinos. In einer winzigen Rolle wirkte Hildegard Knef mit, die im ersten deutschen Nachkriegsfilm, Die Mörder sind unter uns (1946; RE: Wolfgang Staudte), in einer Hauptrolle zu sehen ist.


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1946 - 1953: DEFA

Szenenfoto aus "Frauenschicksale" (1952)


Szenenfoto aus "Freies Land" (1946)
Werkfoto aus "Figaros Hochzeit" (1949)
Werkfoto aus "Das Beil von Wandsbek" (1950/51)


- Die Mörder sind unter uns - Freies Land - Ehe im Schatten - Wozzeck - Die Buntkarierten -
Figaros Hochzeit - Die blauen Schwerter - Der Kahn der fröhlichen Leute - Das Beil von Wandsbek - Frauenschicksale -


Im April 1945 besetzt die sowjetische Armee die Babelsberger Studios. Das Filmen wird eingestellt. Erst ein Jahr später wird eine deutsche Filmgesellschaft in Babelsberg wieder ihren Sitz haben: Im Auftrag der sowjetischen Militäradministration gründen kommunistische deutsche Filmemacher am 17. Mai 1946 die DEFA, die Deutsche Film AG, deren Ausrichtung antifaschistisch ist. Am 15. Oktober hat der erste DEFA-Film - der gleichzeitig der erste deutsche Nachkriegsfilm ist - Premiere: Die Mörder sind unter uns von Regisseur Wolfgang Staudte.

Einer der erfolgreichsten frühen DEFA-Filme ist Ehe im Schatten (1947; RE: Kurt Maetzig), der - damals ungewöhnlich - in allen vier Besatzungszonen vor einem Millionenpublikum gezeigt wird und auch international Aufmerksamkeit erfährt. Der Antifaschismus wird von Beginn an zu einem der wichtigsten Anliegen des DEFA-Films.
Regisseur Kurt Maetzig, einer der Mitbegründer der DEFA und als "Halbjude" im Dritten Reich selbst verfolgt, erzählt in stark von der Ufa-Tradition beeinflussten Bildern eine wahre Begebenheit: Joachim Gottschalk, ein populärer deutscher Ufa-Schauspieler, ist mit einer jüdischen Schauspielkollegin verheiratet, die im Dritten Reich bald Berufsverbot bekommt. Als die Deportation von Frau Gottschalk ins KZ droht, geht das Paar gemeinsam mit dem kleinen Sohn 1941 in den Freitod. In der Ausstellung finden Sie Rollen- und Privatfotos des Ehepaars, ein Zigarettenetui Gottschalks und Fotos der Familienwohnung kurz vor ihrer Auflösung 1941.
Pikanterweise sind an der Produktion des ersten deutschen Films, der sich mit der Judenverfolgung im Dritten Reich auseinandersetzt, Mitarbeiter beteiligt, die im Dritten Reich an Propaganda- oder antisemitischen Filmen mitgewirkt hatten. So hat Filmkomponist Wolfgang Zeller, dessen Filmpartitur in der Ausstellung zu sehen ist, auch die Musik für einen der bekanntesten antisemitischen Streifen des Dritten Reichs, für Jud Süß, geschrieben.

Die Geschichte vom kleinen Muck (RE: Wolfgang Staudte), zweiter Märchenfilm der DEFA und bis zum Ende der DDR der meistverkaufteste Film des DEFA-Außenhandels, wird 1953 gedreht. Die DEFA ist seitdem für ihre Märchenfilme berühmt. Exponate illustrieren die Sorgfalt und den liebevollen Aufwand, mit denen das Märchen Wilhelm Hauffs in Filmbilder verwandelt wurde: wunderschöne Kostüm- und Szenenbildentwürfe von Sibylle Gerstner, Walter Schulze-Mittendorf, Willi Eplinius und Erich Zander. Einige ehemalige Künstler der Ufa bringen ihr Können nach dem Krieg bei der DEFA ein. Die große, geschnitzte Uhr aus der Rahmenhandlung des Films ist in der Ausstellung zu sehen. In einer der Vitrinenschubladen finden Sie ein komplett aus Filmszenen- und Kostümbildentwürfen gebundenes Märchenbuch.


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1954 - 1966: DEFA

Szenenfoto aus "Meine Frau macht Musik" (1958)


Szenenfoto aus "Meine Frau macht Musik" (1958)
Szenenfoto aus "Ernst Thälmann - Sohn seiner Klasse" (1954)
Szenenfoto aus "Der Kinnhaken" (1962)


- Carola Lamberti - Eine Berliner Romanze - Die Abenteuer des Till Ulenspiegel - Emilia Galotti -
Meine Frau macht Musik - Das Feuerzeug - Auf der Sonnenseite - Das zweite Gleis - Der Kinnhaken -
Der geteilte Himmel - Geliebte weiße Maus - Die Abenteuer des Werner Holt - Ernst Thälmann I/II -
Das Kaninchen bin ich -


Die Verknüpfung von Film und Politik symbolisiert ein Einschnitt in der Filmvitrine im Jahr 1953: Nach dem Tod des sowjetischen Diktators Josef Stalin 1953 kommt es zu Unruhen in vielen Ländern des Ostblocks. Der Koreakrieg 1950 - 53 belastet die Beziehungen zwischen den Großmächten USA und UdSSR: Die Fronten des Kalten Krieges verhärten sich. Auch die Arbeit in den Filmstudios der DEFA wird beeinflusst. In der Ausstellung illustrieren Dokumentaraufnahmen auf Großprojektionen und Exponate das Zeitgeschehen.

Mitte der 50er Jahre entsteht der größte Propagandafilm der DEFA, der Zweiteiler Ernst Thälmann - Sohn seiner Klasse (1954) und Ernst Thälmann - Führer seiner Klasse (1955), unter der Regie von Vorzeigeregisseur Kurt Maetzig. Die Filme, die Leben und Wirken des Hamburger Arbeiterführers, der im Dritten Reich von den Nationalsozialisten hingerichtet wurde, repräsentativ darstellen, sind Staatsprojekte. Alle Entwürfe kontrolliert und korrigiert die Staatspartei SED.
Die Ausstellung stellt das Autorenkollektiv, Willi Bredel, Michael Tschesno-Hell und Kurt Maetzig, das seit 1949 an dem Filmdrehbuch arbeitet, mit Porträts und Informationen vor. Mit immensem Aufwand wird gedreht. Selbst der Brand des Reichstags von 1933 wird nachgestellt: Fotos in der Vitrine zeigen die Herstellung des übermannsgroßen Reichstagsmodells und den nachgestellten Brand. Dazu sind Filmaufnahmen des Regieassistenten Günter Reisch, der später selbst DEFA-Regisseur wird, zu finden sowie Starpostkarten, in rotes Kunstleder gebundene Schmuckbände mit Szenenfotos und Filmprogramme im Vierfarbdruck - aufwändiges Werbematerial in einer eher ärmlichen Zeit. Auf Jahre wird das Thälmann-Bild in der DDR von diesen Filmen geprägt. Ihr Besuch ist für Schulklassen ebenso obligatorisch wie für Betriebsbrigaden. Die Hauptdarsteller Günter Simon und Karla Runkehl verdanken den Thälmann-Filmen anhaltende Popularität und noch Jahre später werden die beiden vom Kinopublikum zu den beliebtesten DEFA-Schauspielern gewählt. Karla Runkehls Familie hat Zeitungsausschnitte und Fanbriefe in einem Fotoalbum gesammelt.
Auch nachdem der neue Partei- und Staatschef der UdSSR, Nikita Chruschtschow, auf dem XX. Parteitag der KPdSU 1956 den Personenkult um Diktator Stalin beendet, wird dieser Ideologiewechsel in der DDR nur sehr langsam akzeptiert. Erst Anfang der 60er Jahre wird jede Erinnerung an Stalin aus dem öffentlichen Leben getilgt. Auch aus den beiden Thälmann-Filmen werden 1961 sämtliche Szenen, in denen Stalin auftritt, herausgeschnitten. Das Schnittmaterial ist auf einem Monitor zu sehen.
Bei den beiden Thälmann-Filmen wird zum ersten Mal das Stereolichtton-Verfahren angewendet, ein Tonaufnahmeverfahren, das erst durch die Firma Dolby in den 70er Jahren bekannt wird. Da die Thälmann-Filme im großen Stil gezeigt werden sollen, man für Filme im Stereolichtton-Verfahren aber spezielle Aufnahme- und vor allem spezielle Abspielgeräte benötigt und deshalb viele Kinos hätte "nachrüsten" müssen, stellt die Studioleitung der DEFA die neue Manier zurück. Die Filme werden im üblichen Monolichtton gezeigt, die Stereolichtton-Kopie verschwindet im Archiv.

Ein anderer Film des Regisseurs Kurt Maetzig kontrastiert die Thälmann-Filme: Das Kaninchen bin ich. Die Verfilmung nach einem Roman, der sich mit Justizwillkür in der DDR beschäftigt, wird zwar 1965 fertiggestellt, aber erst 1990 aufgeführt: 1965 beschließt das 11. Plenum der Staatspartei SED eine restriktivere Kulturpolitik. Experimentelle und kritische Strömungen in Literatur, Bildender Kunst und Film sollen zugunsten des offiziellen Programms des "sozialistischen Realismus" zurückgedrängt werden.
Der bislang hoch geehrte Regisseur Kurt Maetzig wird öffentlich abgekanzelt, sein Film "Das Kaninchen bin ich" nicht zur Aufführung freigegeben. Daneben wird fast die gesamte Produktion der DEFA des Jahres 1965 verboten. Die Ausstellung zeigt ein Filmkostüm aus "Das Kaninchen bin ich" und die Buchvorlage "Maria Morzeck oder das Kaninchen bin ich". Ein Album mit Szenen- und Werkfotos verschiedener DEFA-Produktionen des Jahres 1964/65 verzeichnet, mit roten Sperrvermerken markiert, die Verbotsfilme des 11. Plenums. Zu den Verbotsfilmen gehört auch Der verlorene Engel (1966; RE: Ralf Kirsten). Der Film thematisiert die Zerstörung der Ernst-Barlach-Plastik "Der schwebende Engel" aus dem Dom zu Güstrow durch die Nationalsozialisten.


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1967 - 1976: DEFA

Szenenfoto aus "Anflug Alpha 1" (1971)


Szenenfoto aus "Ich war 19" (1967/68)
Szenenfoto aus "Spur des Falken" (1968)
Szenenfoto aus "Anflug Alpha 1" (1971)


- Die gefrorenen Blitze - Ich war 19 - Heißer Sommer - Spur des Falken - Eolomea - Die Legende von Paul und Paula - Wolz - Jakob der Lügner - Lotte in Weimar - Goya - Zeit zu Leben - Anflug Alpha 1-

Während die DEFA an den Folgen des 11. Plenums laboriert, eskaliert in Südostasien ab Mitte der 60er Jahre der Vietnamkrieg. In der BRD verstärken sich Studentenunruhen, 1967 bildet sich eine Außerparlamentarische Opposition. In Prag wird mit der Niederschlagung des Prager Frühlings durch Truppen des Warschauer Paktes 1968 ein wichtiger Reformversuch zunichte gemacht.
1963 erscheint "Das Geheimnis von Huntsville", ein Dokumentarbericht über die Produktion von Hitlers "Wunderwaffe" V2 in Peenemünde. Nach der Buchvorlage, einem Bestseller, dreht die DEFA 1967 den monumentalen Zweiteiler Die gefrorenen Blitze (RE: János Veiczi) im Breitwandformat "Totalvision". Mit so genannten "Vorsatzmodellen" wird die riesenhafte Peenemünder Anlage in Miniaturformat nachgebaut. Mehrere dieser Trickmodelle, hölzerne Waggons mit Schienen und eine Miniatur-V2, finden Sie in einer Ausstellungsvitrine, ebenso Originalrequisiten: die Mappe eines Geheimdienstberichtes, die Akte eines KZ-Häftlings und im Film verwendete Fotos mit Blechmarken. Daneben liegen historische Fotos - Recherchematerial zum Film.

Neben antifaschistischer Filmproduktion setzt die DEFA nach dem Verbotsplenum verstärkt auf Unterhaltung. Seit 1965 entstehen in der DDR kontinuierlich Indianerfilme, die jedes Jahr im Sommer anlaufen und Millionen von Kinogängern begeistern. Der jugoslawischen Darsteller Gojko Mitic, der in fast allen Filmen die Hauptrolle des indianischen Helden spielt, wird zum Publikumsliebling. In der Ausstellung ist er mit dem Film Spur des Falken (1968, RE: Gottfried Kolditz) vertreten; seine Indianerperücke können Sie aus nächster Nähe betrachten. In einer Vitrine hängen Pfeil und Bogen, eine Friedenspfeife und weitere Originalrequisiten sowie die Konstruktionszeichnung einer typisch nordamerikanischen Lokomotive mit Büffelfänger, die extra für den Film nachgebaut wurde. Im unteren Teil der Vitrine stehen Arbeitskoffer und Zubehör des Geräuschemachers Hugo Gries, der damit für den Film Pferdegetrappel und Kutschgeräusche produzierte.
Wie die Indianerfilme sollen ab Mitte der 60er Sciencefiction-Filme Zuschauer ins Kino locken: Eolomea (1972, RE: Hermann Zschoche) gewinnt für seine Trickaufnahmen den internationalen Technikpreis UNIATEC. Einige der originalen Raumschiffmodelle werden in der Ausstellung gezeigt, ebenso Konstruktionszeichnungen von Szenenbildner Werner Pieske und Fotos der Trickaufnahmen.

Ab 1966 werden nicht nur mehr Unterhaltungsfilme produziert, die DEFA verabschiedet sich vorerst auch von kritischen Gegenwartsfilmen. Regisseure suchen ihre Stoffe in der Geschichte oder in der Literatur. So entsteht 1975 nach dem gleichnamigen Roman von Jurek Becker die Literaturverfilmung Jakob der Lügner. Der Film erzählt die Geschichte eines Juden im Warschauer Ghetto, der den Überlebenswillen seiner Mitgefangenen durch erfundene Nachrichten aus einem ebenfalls erfundenen Radio zu stärken versucht. Regie führt Frank Beyer, dessen Film Spur der Steine 1966 verboten worden war. "Jakob der Lügner" ist eine Co-Produktion der DEFA mit dem Fernsehen der DDR und gleichzeitig der erste und einzige DEFA-Film, der für den Oscar nominiert wird. Die Nominierungsurkunde ist in der Ausstellung zu sehen.
Die Besetzung der Hauptrolle des Jakob bleibt lange ungewiss. Zunächst ist Heinz Rühmann im Gespräch, den man aus politischen Gründen als westdeutschen Prominenten zugunsten des tschechischen Schauspielers Vlastimil Brodsky dann doch ablehnt. In der Ausstellung sind Brodskys Filmkostüm und ein Kostümentwurf für die Figur des Jakob von Kostümbildner Joachim Dittrich zu sehen. 1999 wird der Roman in Hollywood mit Robin Williams in der Hauptrolle neu verfilmt.


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1977 - 1994: DEFA

Szenenfoto aus "Die Architekten" (1989/90)


Szenenfoto aus "Die Architekten" (1989/90)
Szenenfoto aus "Bürgschaft für ein Jahr" (1980/81)
Casting-Foto für "Erscheinen Pflicht" (1983)

- Solo Sunny - Alle meine Mädchen - Die Verlobte - Bürgschaft für ein Jahr - Märkische Forschungen - Dein unbekannter Bruder - Das Luftschiff - Moritz in der Litfasssäule - Erscheinen Pflicht - Ete und Ali - Die Entfernung zwischen dir und mir und ihr - Die Architekten - Die Beunruhigung - Simplicius Simplicissimus -

1975 wird in Helsinki die Schlussakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) unterzeichnet. Während sich auf internationaler Ebene Entspannung abzeichnet, geht die DDR-Regierung auf Konfrontationskurs zu ihren Kritikern: 1976 wird dem Liedermacher Wolf Biermann nach einem Konzert in Köln wegen "staatsfeindlicher Äußerungen" die Wiedereinreise verwehrt. Diese Ausbürgerung versetzt die gesamte DDR-Kulturszene in Aufruhr. Bald verlassen viele Künstler die DDR - mehr oder weniger freiwillig.

In den 70er Jahren entstehen wieder publikumswirksame Gegenwartsfilme. 1980 erregt Solo Sunny Aufsehen, ein Film von Konrad Wolf, einem der renommiertesten Regisseure der DEFA, Präsident der Akademie der Künste der DDR und Bruder von Geheimdienstchef Markus Wolf. Er erzählt von der rebellischen Sängerin Sunny und ihrer Suche nach einem selbstbestimmten Leben - ein heikles Thema in der DDR der frühen 80er Jahre. Äußerlich markieren die extravagante Kleidung der Sunny - Lederjacke, Fuchspelz, Haarnetz sind in einer Ausstellungsvitrine zu sehen - und das englische Titellied den Ausbruchsversuch. In den folgenden Jahren zitieren andere DEFA-Filme Wolfs "Solo Sunny", der als wichtiger Beitrag zu größerer Freiheit des Einzelnen empfunden wird. Als Hauptdarstellerin Renate Krößner in den Westen geht, wird "Solo Sunny" aus den Kinos zurückgezogen: die offizielle Sperranweisung für den Film ist in der Ausstellung zu sehen.

Zwei Jahre später kommt ein Film mit einem ebenfalls brisanten Thema in die Kinos: Märkische Forschungen (1982, RE: Roland Gräf) behandelt das Thema der Geschichtsklitterung. Ein Professor und ein Dorfschullehrer forschen zur Biografie eines revolutionären Dichters. Der Dorfschullehrer findet heraus, dass der einstige Revolutionär im Alter zur Reaktion überlief. Der Professor verhindert jedoch die Veröffentlichung der Wahrheit, weil sie seiner Karriere schaden würde. In der Ausstellung werden handschriftliche Notizen des Regisseurs zum Aufbau des Films gezeigt, Filmrequisiten und ein Filmpreis: Gräfs Film läuft 1982 auf dem Spielfilmfestival der DDR an. Aufgrund seiner Thematik ist es beschlossene Sache, dass er keinen Preis bekommen soll. "Märkische Forschungen" erweist sich jedoch als herausragend. Man zieht sich aus dem Dilemma, indem eigens für diesen Film ein Sonderpreis kreiert wird -"Der Findling".

Bei der DEFA wird nach der Wende zunächst weiterproduziert wie bisher, die Filme werden von der Öffentlichkeit jedoch kaum noch zur Kenntnis genommen. Massenentlassungen prägen ab Mitte 1990 die Atmosphäre in den Studios. Das Unternehmen und sein Gelände werden 1992 an den französischen Mischkonzern CGE (Compagnie Général des Eaux, später Vivendi) verkauft. 1994 wird die DEFA aus dem Handelsregister gestrichen.


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1994 - heute: Studio Babelsberg

Szenenfoto aus "Sonnenallee" (1998/99)


Werkfoto aus "Die Polizistin" (2000)
Szenenfoto aus "Sonnenallee" (1999)
Blick in die Ausstellung - Studio-Babelsberg-Vitrine

Nach der endgültigen Auflösung der DEFA betreibt eine Firmengemeinschaft, die sich schnell zu einem Dienstleistungsunternehmen entwickelt, die Studios: Studio Babelsberg GmbH. 2004 verkauft Eigentümer Vivendi die Studios, die immer noch nicht profitabel arbeiten, an zwei private Investoren.

Nach der Jahrtausendwende kommen verstärkt internationale Produktionen nach Babelsberg: Duell - Enemy at the Gates (2001, RE: Jean-Jacques Annaud), ein Film über die Schlacht von Stalingrad mit Darstellern wie Jude Law, Bob Hoskins und Joseph Fiennes, wird die größte europäische Produktion der letzten Jahre. Ein Kostüm aus dem Film, eine sowjetische Uniform, und das Gewehr des Hauptdarstellers Jude Law sind neben einigen Szenen- und einem Werkfoto in der Ausstellung zu sehen.
Auch Taking Sides - Der Fall Furtwängler (2001, RE: István Szabó) über die Verstrickung des deutschen Dirigenten Wilhelm Furtwängler in den Nationalsozialismus bringt mit Harvey Keitel und Stellan Starsgard internationale Prominenz nach Babelsberg.
2002 dreht Starregisseur Roman Polanski in Babelsberg Der Pianist. Der Film über das Überleben des polnischen Pianisten Wladyslaw Szpilman während des Zweiten Weltkrieges wird mit der Goldenen Palme und zwei Oscars preisgekrönt.

Auch deutsche Produktionen aus Babelsberg machen sich einen Namen: Sonnenallee, eine Komödie von Leander Haußmann über Jugendliche in der DDR, wird 1999 ein großer Publikumserfolg. Requisiten aus dem Film sehen Sie in der Ausstellung. 2002 gewinnt Halbe Treppe, ein Film des jungen Potsdamer Regisseurs Andreas Dresen, auf der Berlinale den Silbernen Bären. Rosenstraße (2003, RE: Margarethe von Trotta) behandelt den Widerstand deutscher Frauen im Dritten Reich. Hauptdarstellerin Katja Riemann gewinnt in Venedig den Coppa Volpi, den Preis für die beste Darstellerin.

Zur "alltäglichen" Erfolgsgeschichte der Babelsberger Studios gehören auch Fernsehproduktionen: Seit 1995 begeistert die Serie Gute Zeiten, schlechte Zeiten deutsche Teenager. Ein beliebtes Programm für noch jüngere Zuschauer bietet seit 1998 die Schulserie Schloss Einstein. (Ab 2007 wird Schloss Einstein bei Askania Media GmbH in Erfurt gedreht.)
Der größte Arbeitgeber in Babelsberg ist der Regionalsender rbb (früher ORB), der zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk der BRD gehört. Zu den wichtigsten Leistungen des 1991 gegründeten Senders zählt die aktuelle Fernseh- und Rundfunkberichterstattung, wie z.B. von der Jahrhundertflut an der Oder 1997.


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Filmnächte zur Ausstellung


August - Dezember 2004
1. Filmnacht: "Wie aus Ferne Nähe wurde"
Die Stille nach dem Schuss
RE: Volker Schlöndorff, DA: Bibliane Beglau, Nadja Uhl, Martin Wuttke u.a., D 2000
Eine RAF-Terroristin, die in der DDR untertauchte, um dort im real existierenden Sozialismus ein unauffälliges Leben zu beginnen, wird nach dem Fall der Mauer enttarnt und bei ihrem letzten Fluchtversuch in den Westen von Grenzsoldaten der DDR erschossen. Ein überzeugender Versuch deutsch-deutscher Geschichtsaufarbeitung. Durch die Zusammenarbeit mit dem Autor Wolfgang Kohlhaase (einem der brillantesten Szenaristen der DEFA) und dem filmisch der 68er-Generation verbundenen Regisseur entstand ein pointierter Film von einer selten erlebten Authentizität. Bestechend das berührende Spiel der beiden Hauptdarstellerinnen, das zuweilen die Grenzen von Fiktion und Realität aufhebt.

Berlin - Ecke Schönhauser
RE: Gerhard Klein, DA: Ekkehard Schall, Ilse Pagé, Ernst-Georg Schwill u.a., DDR 1956/57
Ein U-Bahn-Bogen wird zum Treffpunkt von Teenagern, denen der Platz im Elternhaus zu eng wird und die vor ihrem Leben davon laufen. Einer erhofft sich auf der Straße die Freiheit, ein anderer flüchtet vor seinem ständig betrunkenem Vater, ein Dritter ist schon auf der schiefen Bahn. Ein vermeintlicher Totschlag sorgt für einen Wendepunkt. Ein anerkennenswerter Versuch des Berlin-kundigen Autoren-Regie-Teams Wolfgang Kohlhaase/Gerhard Klein, den Ursachen des "Halbstarken-Problems", das ja in der offiziellen DDR-Terminologie nicht existierte, auf den Grund zu gehen. Der bei den Parteifunktionären argwöhnisch betrachtete Film wurde bei Teilen der Kritik und des Publikums ein deutlicher Erfolg.

Ich war neunzehn
RE: Konrad Wolf, DA: Jaecki Schwarz, Alexej Ejboshenko, Jenny Gröllmann, Michail Glusski u.a., DDR 1968 April 1945. In der Uniform eines sowjetischen Leutnants kommt der 19-jährige Deutsche Gregor Hecker in seine Heimat zurück. Er war 8, als seine Eltern nach Moskau emigrierten. Vom 16. April bis 2. Mai fährt er im sowjetischen Militärfahrzeug auf dem Weg der 48. Armee von der Oder nördlich an Berlin vorbei und fordert mit einem Lautsprecherwagen die noch vereinzelt kämpfenden deutschen Soldaten zum Überlaufen auf. Täglich begegnet Gregor Menschen unterschiedlicher Art, vom Mitläufer bis zum eingefleischten Faschisten. Langsam begreift er, dass es "die Deutschen" nicht gibt. Als sein Freund Sascha bei einem letzten Kampfeinsatz fällt, steht für Gregor fest, dass er sich dem Aufbau eines neuen Deutschland nicht verweigern kann.

GÄSTE
Volker Schlöndorff
Geb. 1939 in Wiesbaden. 1956 geht er im Schüleraustausch nach Frankreich; aus dem ursprünglich für zwei Monate geplanten Aufenthalt werden zehn Jahre. 1959 macht er das Abitur in Paris, anschließend das deutsche in Frankfurt am Main. Er studiert politische Wissenschaften bis zum Staatsexamen in Paris und besucht anschließend, ebenfalls in Paris, das Institut des Hautes Etudes Cinematographiques (IDHEC). Hier lernt er Louis Malle kennen. Ab 1960 arbeitet Schlöndorff als Volontär an Filmen französischer Regisseure (u.a. Malle, Melville, Resnais) mit. Nach einem Kurzfilm über Algerier in Frankfurt am Main und Reportagen für das französische Fernsehen - mit Louis Malle - über Südost-Asien und Algerien dreht er 1965/66 in Österreich seinen vielbeachteten und mehrfach preisgekrönten Film "Der junge Törless". Ende der 60er Jahre gründet er zwei Produktionsfirmen (mit Peter Fleischmann und Reinhard Hauff) und engagiert sich in den 70er Jahren für die Filmförderungsgesetze der BRD. Nach der Übernahme der DEFA-Studios durch den französischen Mischkonzern Companie General des Eaux (CGE) im Sommer 1992 übernimmt Schlöndorff mit dem Wirtschaftsfachmann Pierre Couveinhes die Geschäftsführung der Firma. Seine Vision von Babelsberg als Zentrum des europäischen Films geht nicht auf. Seit 1998 arbeitet Schlöndorff wieder als Regisseur. Filme (u.a.): "Der junge Törless" (1965/66), "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" (1975, Co-RE mit Margarethe von Trotta), "Deutschland im Herbst" (1977, mit anderen Regisseuren und als Co-P), "Die Blechtrommel" (1978, ausgezeichnet mit dem Oscar), "Eine Liebe von Swann" (1983), "Der Tod eines Handlungsreisenden" (1984), "Homo Faber" (1990), "Der Unhold" (1996).

Wolfgang Kohlhaase, Szenarist und Autor
Geb. 1931 in Berlin. 1947 Volontär und Redakteur bei der Jugendzeitschrift "Start", dann Mitarbeiter der FDJ-Zeitung "Junge Welt". 1950 - 1952 Dramaturgie-Assistenz bei der DEFA, seit 1952 Drehbuchautor und Schriftsteller. 1953/54 Beginn der Arbeit mit dem Regisseur Gerhard Klein, ab 1967 Arbeit mit Konrad Wolf. Nach dem Tod Wolfs leitet Kohlhaase die Herstellung eines langen Dokumentarfilms über den Regisseur und Kulturpolitiker (langjähriger Präsident der Akademie der Künste), "Die Zeit, die bleibt", zusammen mit Lew Hohmann und einem Autorenteam. Für den Regisseur Frank Beyer entstehen zwei Szenarien. Seit Mitte der 60er Jahre schreibt Kohlhaase Hörspiele, u.a. "Fragen an ein Foto" (1970 verfilmt als "Mama, ich lebe") und "Die Grünsteinvariante" (1976 verfilmt von Bernhard Wicki). Filme (u.a.): "Alarm im Zirkus" (1953/54, RE: Gerhard Klein); "Berlin - Ecke Schönhauser" (1956/57, RE: Gerhard Klein); "Der Fall Gleiwitz" (1960/61, Co-SZ: Günther Rücker, RE: Gerhard Klein); "Ich war neunzehn"(1968), "Der nackte Mann auf dem Sportplatz" (1973), "Solo Sunny" (1978/79 - alle RE: Konrad Wolf); "Der Aufenthalt" (1981/82), "Der Bruch" (1988 - alle RE: Frank Beyer); "Die Stille nach dem Schuss" (2000, RE: Volker Schlöndorff).
"Merkwürdigerweise - Kino ist es immer gut gegangen, wenn es so ein gewisses Gruppengefühl gab, also wenn eine Generation von Leuten angefangen hat, Filme zu machen, auch aufeinander bezogen. Der neue deutsche Film war ja die Hervorbringung einer Gruppe, und es war auch ein Gegenstand der Abneigung da, nämlich im ästhetischen und gesellschaftlichen Verständnis. Und in der DDR ging's Film gut in gewissem Sinne, wenn er sich rieb an den Unzulänglichkeiten der Gesellschaft. Das hatte nicht unbedingt mit Dissidenz zu tun, sondern es hatte mit der Unzufriedenheit zu tun, mit der Diskrepanz zwischen den Entwürfen und der Wirklichkeit. Wenn Film sich darauf richtete und das dann auch noch viele versuchten, dann ging's dem Film gut. Und deshalb ging's ihm so schlecht, als die Anstrengungen eines ganzen Jahres verboten wurden. Ich glaube, es muss Zeit vergehen, und man muss sich ja auch bewusst sein, dass zwei oder drei oder sogar vier Generationen Filme machen. Junge Leute werden ganz andere Antworten finden und ganz andere Herangehensweisen ... Wir leben, glaube ich, immer noch in einer Zeit der Betäubung, es ist so vieles neu, und nicht, wie manche denken, nur für die Leute im Osten. Es ist auch für die Leute im Westen neu, manche haben es nur noch nicht verstanden. Ich glaube, manches braucht Zeit, und die Aufklärung, was immer man darunter versteht, die sich die DDR ja vorgenommen hatte, die sich auch die Linke vorgenommen hatte - bei großer Entfernung gab's ja wieder Parallelen! -, die ist diskreditiert. Die Zusammenhänge gehen verloren, die Effekte leben hoch, aber das bleibt doch nicht so. Es ist doch ganz klar, dass sich die Fragen erneuern, also - das Ende des Jahrhunderts hat alle Fragen, die es am Anfang gab, riesengroß wieder zur Verfügung. Und in diesem Kontext wird's Kino geben, gar kein Zweifel, Kino für viele Leute." (1996)

2. Filmnacht: "Comeback mit Heidi M."
Bis dass der Tod euch scheidet
RE: Heiner Carow, DA: Katrin Saß, Martin Seifert, Renate Krößner u.a., DDR 1978
Jens, Bauarbeiter, Mitte zwanzig, und Sonja, Verkäuferin, lieben sich, heiraten, haben eine eigene Wohnung und bald ein Kind. Sonja bleibt zu Hause, fühlt sich aber unterfordert und isoliert. Sie will wieder arbeiten, was Jens aber strikt ablehnt. Sonja fühlt sich bevormundet und macht heimlich die Facharbeiterprüfung. Als Jens das erfährt, wird er tätlich. Die Ereignisse eskalieren, Jens beginnt zu trinken, Sonja lässt ihr zweites Kind abtreiben. Sie hindert Jens nicht daran, aus einer Seltersflasche zu trinken, in der sich ein Reinigungsmittel befindet. Heiner Carows Regie ergibt einen harten, herausfordernden Film, der die schwelenden Lebensfragen und die Gefühle der Zuschauer tief trifft und aufstört: die Geschichte einer jungen Ehe, deren unerwarteter Sturz aus Blütenträumen in Fremdheit und Feindschaft die Frau zum Tötungsversuch an ihrem Mann treibt. Das Szenarium schrieb Günther Rücker nach einer Pressenotiz in der Rostocker "Ostsee-Zeitung".

Heidi M.
RE: Michael Klier, DA: Katrin Saß, Dominique Horwitz, Franziska Troegner u.a., D 2001
Eine Frau um die Fünfzig, die von ihrem Mann sitzen gelassen wird, betreibt einen Kiosk. Als ihre Tochter für ein Jahr nach Australien geht, ist sie noch einsamer als vorher. Sie lernt einen ebenfalls allein erziehenden Mann kennen, schreckt aber aufgrund ihrer Erfahrungen vor einer neuen Beziehung zurück. Ein eindringlicher Film über Einsamkeit und eine neue Lebenschance, über das Streben nach Glück und die Hindernisse, die sich die Menschen oft selbst in den Weg legen. In unaufdringlichen Bildern erzählt, erzeugt er große Nähe zu den Figuren. Hervorragend: Katrin Saß.

Good Bye, Lenin!
RE: Wolfgang Becker, DA: Daniel Brühl, Katrin Saß, Chulpan Khamatova u.a., D 2003
Alex Kerner ist ein junger Ostberliner, dessen Mutter kurz vor dem Mauerfall einen Herzanfall erleidet und ins Koma fällt. Als sie acht Monate später wieder erwacht, befürchtet Alex, jede Aufregung könnte zu viel für das schwache Mutterherz sein. Und so verschweigt er ihr die Änderung des Weltgeschehens, holt sie zurück nach Hause und setzt alle seine Energie daran, in der Plattenbauwohnung eine Simulation der DDR aufrecht zu erhalten. Im Zeitraffer wird das zwischenzeitlich schon auf gesamtdeutsches Niveau gebrachte Zimmer der Mutter wieder mit Blümchentapete und Pressholzmöbeln in den Vor-Wende-Zustand versetzt und die Antenne des Radios gekappt. Diese virtuose Tragikomödie über die Wende bezieht die Tragweite der Wiedervereinigung besonders für die Ostdeutschen ein, ohne die DDR nostalgisch zu verklären. Ein Film der großen Gefühle, voll origineller Ideen und einer Leichtigkeit, die von vornherein jede Wehleidigkeit ausschließt.

GÄSTE
Michael Klier
Geb. 1943 in Karlsbad. Er ist gelernter Theatermaler. Einige Jahre lebt er in Paris. Danach studiert er ab 1969 Philosophie und Geschichte an der FU Berlin. Er lebt heute in Berlin, wo er auch einige Zeit seinen Lebensunterhalt als aktiver Fußballer verdiente. Sein Werk umfasst Dokumentar- und Spielfilme sowie filmische Porträts. In den 60er, 70er und 80er Jahren macht Klier zahlreiche kurze Filme, u.a. über Roberto Rossellini, Alain Tanner, Alexander Kluge, Joseph Losey, Jean-Marie Straub, Francois Truffaut (bei dem er volontierte) und über die Kameraleute von Godard. Zwischen 1995 und 2001 lehrt er Regie an den Filmhochschulen HFF "Konrad Wolf" in Potsdam-Babelsberg, HFF München und DFFB Berlin. Filme (u.a.): "Abitur" (1964, Kurzfilm); "Ferrari" (1964); "Die erfolgreichen Piraten" (1979); "Entweder ist es aus, oder es hat noch nicht angefangen" (1979); "Godards Kameramänner" (1980); "Der Riese" (1983, TV-Doku), "En Passant" (1984, TV-Doku), "Überall ist es besser, wo wir nicht sind" (1989); "Ostkreuz" (1991); "OUT OF AMERICA" (1994); "Heidi M." (2001); "Ein Mann boxt sich durch" (2001, Kurzfilm), "Farland" (2004).

Katrin Saß
Geb. 1956 in Schwerin. Nach einer Ausbildung zur Telefonistin erhält sie in Rostock eine Schauspielausbildung. Ihr erstes Engagement tritt sie 1978 am Kleist-Theater in Frankfurt/Oder an, dem sie bis 1981 angehört. Danach Arbeit am Landestheater Halle. Saß' Filmdebüt in Heiner Carows "Bis dass der Tod euch scheidet" erfolgt noch während des Schauspielstudiums; da ist sie 21. Sie spielt eine junge Verkäuferin, deren übereilte Ehe in schweren Turbulenzen endet. Zeitnahe, sozial engagierte und realitätsbestimmte Gegenwartsstoffe wie Herrmann Zschoches "Bürgschaft für ein Jahr" bleiben ihr Metier, in dem sie besonders glaubwürdig agiert. Später erhält sie auch Aufgaben in historischen Stoffen und Fernsehfilmen (u.a. "Das Haus am Fluss", 1984/85; "Fallada - Letztes Kapitel", 1987). Nach der Wende spielt das Kino in der Karriere von Katrin Saß längere Zeit keine Rolle mehr. Stattdessen konzentriert sie sich auf die Bühne und das Fernsehen (u.a. Krimiserien "Tatort" und "Polizeiruf 110"). Für ihre Interpretation der Heidi M. in dem gleichnamigen Kinofilm wird Katrin Saß im Juni 2001 mit dem Deutschen Filmpreis als Beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet.

3. Filmnacht: "Der Magier und sein Medium"
Abschied
RE: Egon Günther, DA: Rolf Ludwig, Jan Spitzer, Heidemarie Wenzel u.a., DDR 1968
Im August 1914, im allgemeinen Freudentaumel über den bevorstehenden Krieg, trifft der 17-jährige Münchner Bürgersohn Hans Gastl eine Entscheidung: Er wird diesen Krieg nicht mitmachen. Dieser Entschluss bedeutet eine Wende in seinem Leben, Abschied von seiner Klasse, seiner Familie. Seine Vorstellungen vom "Anderswerden" sind noch nebulös, doch sie verbinden sich mit einem sinnvollen Leben in einer gerechten Gesellschaft. Schon als Kind rebelliert Gastl, der Sohn eines Oberstaatsanwaltes, gegen die Saturiertheit und die Scheinmoral im Elternhaus. In der Beziehung zu seinen Mitschülern Feck und Freyschlag ist er ständig hin- und hergerissen zwischen Bewunderung für deren Mut und Abscheu vor den üblen Streichen. Er denkt an die Freundschaft mit dem Juden Löwenstein und dem Arbeiterjungen Hartinger und an die tragisch endende Liebe mit der Prostituierten Fanny. Deutsche Bürgerwelt mit scharfem, verfremdeten Blick abgeurteilt, Sinnsuche in gärenden Verhältnissen, Verstrickung in Liebe, Wahn und Mord. Dabei nur eine Klarheit: Die Absage an den Krieg. Der Film wird glanzvoll abgenommen, erhält das Prädikat "besonders wertvoll" und wird kurze Zeit nach der Premiere aus den Kinos genommen. "Abschied" ist danach in kein normales Programm mehr gekommen, obwohl der Minister festgelegt hatte: "Der Film gilt nicht als verboten."

Der Dritte
RE: Egon Günther, DA: Jutta Hoffmann, Armin Mueller-Stahl, Barbara Dittus, Rolf Ludwig u.a., DDR 1972
Jutta Hoffmann tanzt als Margit Fließer "Bandiera rossa" singend über die Leinwand, revolutionären FDJ-Elan naiv ausspielend und verfremdend. Ein Mädchen, das aus einer Diakonissen-Schule fortgegangen ist - aus dem Glauben ins Wissen-Wollen; zwei Männer, zwei Verluste, zwei Kinder. Ein "richtiger" Beruf, aber offene Fragen, Einsamkeit. 18 Jahre Leben dieser Frau, erzählt auf zwei Zeitebenen, intensiv und spielerisch. In der Gegenwart der Entschluss und die Aktion Margits, sich selbst den dritten Mann, den Richtigen zu holen, weil sonst doch nichts wird. Der Film erringt internationale Preise, sein Frauen- und Weltbild wird als Signal verstanden und vom Zuschauer angenommen. Der Stoff, von Günther Rücker nach einer Reportage von Eberhard Panitz geschrieben, hatte gelegen und war hin- und hergewendet worden. Die Frau erschien den Funktionären nicht geheuer. Doch Rücker nahm's gelassen. "Der Realismus hat noch immer gesiegt", sagte er, als der Film im Kino war.

Die Braut
RE: Egon Günther, DA: Veronica Ferres, Herbert Knaup, Sibylle Canonica, Franziska Herold, Rüdiger Vogler, Christoph Waltz u.a., D 1998
Erzählt wird die Liebe des Geheimrates und Geistesgenies Goethe zu der kleinbürgerlichen Christiane Vulpius, von der ersten Begegnung 1788 bis zu ihrem Tod 1816. 18 Jahre nachdem der "allersuperbste Schatz" die "Frau, die nur Freude schenkt" zum ersten Mal im Park an der Ilm trifft, heiratet Goethe seinen lustigen "Bettschatz". Es ist eine sinnliche Beziehung, wenig akzeptiert von der guten Weimarer Gesellschaft. Besonders Charlotte von Stein steht ständig zwischen dem ungleichen Paar. "Die Braut" ist nach dem Willen des Drehbuchautors und Regisseurs Günther keine historisch verbürgte Geschichte oder gar eine huldvolle Annäherung an den Genius Goethe und alles andere als verstaubtes Kino für Bildungsbürger geworden. Der Film erzählt eine starke, berührende Liebesgeschichte, so authentisch wie nötig, so frei wie möglich.

GÄSTE
Egon Günther
Geb. 1927 in Schneeberg. Nach einem Studium in Leipzig (Pädagogik, Philosophie und Germanistik) arbeitet Günther als Lehrer und Lektor und veröffentlicht ab Mitte der 50er Jahre Romane und Gedichtbände. 1958 fängt er bei der DEFA als Dramaturg und Drehbuchautor an (u.a. "Das Kleid", "Alaskafüchse"). 1964 debütiert Günther als Regisseur mit der zeitkritischen Betrachtung einer Ehe ohne Liebe, "Lots Weib", und erweist sich als ein exakter Chronist des DDR-Alltags. Sein zweiter Film ("Wenn du groß bist, lieber Adam") wird in Folge des 11. Plenums 1965 mit einem kompletten DEFA-Jahrgang auf Eis gelegt. "Abschied", die Adaption von Bechers prosozialistischem Kampfroman, bringt Günther 1968 auch international den Durchbruch; in der DDR wird die von überkommenen Regietraditionen und kleinkarierter Spießermoral befreite Geschichte sofort aus dem Kino genommen und kommt nicht mehr in ein normales Programm. Nach zwei weiteren Zeitbildern aus der DDR ("Der Dritte", 1972; "Die Schlüssel",1974), die mit ihrem Plädoyer für tiefe Gefühle thematisch einen Rückzug ins Private zu signalisieren scheinen, nimmt Günther mit dem Thomas-Mann-Stoff "Lotte in Weimar" (1975) und mit Goethes "Die Leiden des jungen W." (1976) zwei gänzlich andere historisch-literarische Themen in Angriff. So gelingt ihm mit dem "Werther"-Film eine Auseinandersetzung mit den Begriffen Anpassung und Rebellion sowie den Widersprüchlichkeiten gesellschaftlicher Normen und Entwicklungen.
Nach der Ausbürgerung Wolf Biermanns übersiedelt Günther nach dem Westen, wo er vorwiegend TV-Produktionen macht (u.a. den Kolonialdreiteiler "Morenga", "Exil" nach Feuchtwangers Roman). Rund 15 Jahre später dreht er bei der in Auflösung begriffenen DEFA einen ihrer letzten Filme : "Stein" (1991), die Geschichte eines Schauspielers, der sich nach dem Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen in Prag 1968 in die innere Emigration begibt. Ein geniales, leider viel zu wenig beachtetes Requiem auf die verlorenen, verspielten Chancen der DDR. Faszinierend auch der Fernsehfilm "Lenz" (1992) über den früh verstorbenen Dichter, der den Adel ebenso angriff wie das unterwürfige Bürgertum. Danach kann Günther sechs Jahre nicht mehr inszenieren. Für sein "Nietzsche"-Projekt findet sich kein Produzent, für "Unkenrufe" fehlt das Geld. 1998 entsteht fürs Kino "Die Braut", mit der sich Günther einen Lebenstraum erfüllen wollte: mit einer großen Liebesgeschichte zwischen Christiane Vulpius und Johann Wolfgang von Goethe. Nach der Erzählung von Angelika Schrobsdorff dreht Günther 1999 den zweiteiligen Fernsehfilm "Else - Geschichte einer leidenschaftlichen Frau".

Was war die DEFA für Sie?
"Die Nährmutter! Sie war mein Leben, gar keine Frage. Sie war Heimat, wirklich Heimat. Und das betrifft ja nicht nur die Gebäude oder die Ateliers oder die Mitarbeiter. Ich bin sicher, dass in solchen Institutionen etwas entsteht, was man nicht real erklären kann. Es ist der Geist des Ortes. Den konnte Hugenberg, der das Studio begründete, nur ahnen, den konnten die Faschisten nicht zerstören, den konnten die Oberkommunisten nicht zerstören.
Ich bin ein fanatischer Schreiber, und ohne Prosa könnte ich nicht leben - aber richtig lebe ich im Atelier. Da ist diese Magie. Deshalb halte ich auch nichts von optischen Drehbüchern oder von - ich weiß nicht was - Proben in der Garderobe, sondern nur von der Magie dieses Ortes. In dem Moment, wo das erste Licht angeht, ist die Welt verzaubert. Wo man ahnt, welches Objektiv man nehmen muss, und lange Brennweiten die Welt nochmal verzaubern. Das ist ein großes Glück. Ohne die DEFA hätte ich es nie geahnt.
Ich hätte mir gewünscht, dass es 1990 eine politische Entscheidung gegeben hätte, die DEFA nicht gleich in den puren Kapitalismus zu entlassen. Vielleicht hätte man das Studio noch sechs, sieben Jahre staatlich unterstützen sollen. Als ein Instrument, das den Prozess der Vereinigung mit begleitet, beschreibt, analysiert. Es war eine utopische Idee. Aber es hat sich keine andere Idee durchgesetzt, sondern es wurde verkauft, was hätte unverkäuflich sein müssen. Warum gewinnen eigentlich immer die anderen?"
(aus einem Interview mit Ralf Schenk, 2000)

Jutta Hoffmann
Geb. 1941 in Halle. Hoffmann ist in den 60er und 70er Jahren eine der gefragtesten Darstellerinnen moderner Frauen im zeitgenössischen DDR-Kino. Sie beginnt mit 18 Jahren ein Studium an der Babelsberger Filmhochschule und erhält 1960 ihre erste Filmrolle. Im selben Jahr beginnt sie an Ostberliner Bühnen zu spielen, ab 1973 am Berliner Ensemble. Für das Kino ab 1963 aktiv, hat sie ihre interessantesten Rollen in Spiel- und Fernsehfilmen Egon Günthers. In dessen TV-Zweiteiler "Junge Frau von 1914" nach Arnold Zweigs Roman gibt Hoffmann ein sensibles Porträt einer Bankierstochter, deren Liebe zu einem mittellosen Schriftsteller durch gesellschaftliche Vorurteile harten Prüfungen unterzogen wird. In dem Frauenzeitbild "Der Dritte" verkörpert sie eine junge, selbständige Mathematikerin und zweifache Mutter auf der Suche nach einer neuen Liebe. Zwei weitere problemorientierte Rollen spielt sie in Günthers "Die Schlüssel" und in Frank Beyers "Das Versteck" - zwei Frauen, die sich im Selbstfindungs- bzw. Trennungsprozess befinden. Seit 1978 tritt sie regelmäßig an Bühnen im deutschsprachigen Westeuropa (BRD und Österreich) auf, im "Polizeiruf" spielt sie in den 90er Jahren eine Kommissarin. Hoffmannn ist Professorin an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. Filme (bis 1979 in der DDR u.a.): "Julia lebt" (1962), "Karla" (1965/1966 - 1990), "Zeit zu leben" (1968), "Dr. med. Sommer II" (1969), "Der Dritte" (1972), "Die Schlüssel" (1972), "Lotte in Weimar" (1974), "Das Versteck" (1976), "Der Angriff der Gegenwart auf die übrige Zeit" (1985), "Bandits" (1996).

Veronica Ferres
Geb. 1965 in Solingen. Ihr professionelles Bühnendebüt erfolgt 1985, sie spielt in Stücken von Tschechow und Moliere. Edgar Reitz engagiert sie für seinen Fernseh-Mehrteiler "Die zweite Heimat", sie übernimmt Gastrollen für weitere Serien. 1994 wird sie erstmals auch für eine internationale TV-Produktion ("Katharina die Große") engagiert. Nach anfänglicher Festlegung auf Vollweib-Blondinen erhält die Ferres im Laufe der Zeit die Gelegenheit für psychologisch fundiertere Charaktere (u.a. in "Schtonk", 1991, gedreht von ihrem damaligen Lebensgefährten Helmut Dietl). 1996 persifliert sie in Dietls satirischer Attacke auf die literarisch-mediale Schickeria Münchens, "Rossini oder Die mörderische Frage wer mit wem schlief", in ihrer Rolle als Schneewittchen ihr dumb blonde-Image. 1997 unternimmt Ferres ihren ersten Abstecher zum englischsprachigen Kino ("Ladies Room", CAN/GB), ein Jahr später überzeugt sie als Christiane Vulpius in Egon Günthers Film "Die Braut".

4. Filmnacht: "Regisseur Roland Gräf und seine schönen Frauen"
Langjährige Partnerschaft mit den Schauspielerinnen Jutta Wachowiak und Corinna Harfouch
Rosenstraße
RE: Margarethe von Trotta, DA: Katja Riemann, Maria Schrader, Jürgen Vogel, Doris Schade, Jutta Wachowiak u.a., D 2003
Eine junge Amerikanerin will endlich mehr über die Herkunft ihrer Mutter erfahren, die über ihre Kindheit nie geredet hat. Sie begibt sich auf Spurensuche, fährt nach Berlin und findet dort die 90-jährige Lena Fischer, die vor 60 Jahren ein Mädchen zu sich genommen hatte: die Mutter der Amerikanerin. Lena Fischer erzählt, was geschah: Über 5000 noch in Berlin lebende Juden, bisher durch arische Ehefrauen vor der Deportation geschützt, wurden Ende Februar 1943 überraschend verhaftet. Die verzweifelten Frauen fanden heraus, dass ihre Männer in ein früheres jüdisches Wohlfahrtszentrum in Berlin-Mitte gebracht worden waren. Immer mehr von ihnen fanden sich dort ein und verharrten eine Woche lang Tag und Nacht in der Rosenstraße. Vereinzelte Rufe wuchsen zu gemeinschaftlichem Protest. Unter den Frauen war Lena Fischer, die ihre angesehene Familie einschaltete, sich sogar dem Propagandaminister andiente und dessen Sucht nach schönen Frauen nutzte. Und die Inhaftierten kommen wirklich frei! Lena Fischer nahm sich eines jüdischen Mädchens an, das in der Rosenstraße vergeblich nach ihrer Mutter gesucht hatte und rettete so das Leben des Kindes. Eine dramatische Geschichte um deutsche Zivilcourage und jüdische Spurensuche, die drei Generationen umfasst. Bereits 1993 berichtete Daniela Schmidt in ihrem Dokumentarfilm "Im Schatten der Männer - Rosenstraße" über dieses historisch verbürgte Geschehen in Berlin.

Fallada - Letztes Kapitel
RE: Roland Gräf, DA: Jörg Gudzuhn, Jutta Wachowiak, Corinna Harfouch, Katrin Saß u.a., D 2003
Die letzten zehn Jahre (1937 - 1947) aus dem Leben des Dichters Hans Fallada, der mit seiner Familie in Carwitz wohnt. Seine Sehnsucht nach Harmonie kollidiert mit den Zeitumständen und seiner eigenen inneren Zerrissenheit. Er schreibt kaum noch Belangvolles, trinkt, nimmt Tabletten. Seine Frau Anna betreut ihn in den Zeiten tiefster Depression, erträgt seine Aggressionen und seine Liaison mit dem Hausmädchen. Als er mit der Fabrikantenwitwe Ursula Losch ein Verhältnis beginnt, lässt sie sich scheiden. Die Liebe zu der schönen, jungen Ursula gibt ihm neuen Lebensmut, doch nicht auf Dauer. Sie ist Morphinistin und zieht ihn noch weiter in den Abgrund. Den kurzen Hoch-Zeiten folgen immer größere Tiefs. Nach Ende des Krieges setzt ihn die Rote Armee als Bürgermeister ein, doch Fallada scheitert an der ungewöhnlichen Aufgabe, betäubt sich mit Alkohol und Morphium. Er geht nach Berlin, schreibt in kurzer Zeit unter dem Einfluss von Freunden "Jeder stirbt für sich allein". Körperlich ist er am Ende, wird ins Krankenhaus eingeliefert, wo er im Februar 1947 stirbt. Ein Film über eine labile Künstlerpersönlichkeit, die ein neutrales Verhältnis zur Gesellschaft hat und nur sieht, wie Menschen leben, leiden und lieben. Der Krieg um das Projekt - im Studio und mit der HV Film - dauert jahrelang. Roland Gräf: "In "Fallada" geht es eben um Anpassung um jeden Preis, den man dafür zahlt. Da gab es im Nachhinein auch politische Verleumdungen."

Sexy Sadie
RE: Matthias Glaser, DA: Corinna Harfouch, Jürgen Vogel u.a., D 1996
Ein junger Gewaltverbrecher, der nur noch kurze Zeit zu leben haben soll, bricht aus der Anstalt aus und nimmt seine Ärztin als Geisel. Während er mit rachsüchtigen Personen aus seinem früheren Leben konfrontiert wird, stellt sich allmählich heraus, dass die Ärztin im Hintergrund die Fäden zieht und an der Flucht beteiligt ist. Eine schwarze Komödie über ein sensibles und kontrovers diskutiertes Thema, die ihr episodisches, allzu flüchtiges Handlungsraster makabren Pointen unterordnet. Hervorragend fotografiert, fesselt der Film in seinen kompositorisch außergewöhnlichen Details, die sich als lakonischer Kommentar zur "Lebensmoral" der 90er Jahre deuten lassen.

GÄSTE
Roland Gräf
Geb. 1934 in Meuselbach. Gräf absolviert eine Lehre als Industriekaufmann, macht sein Abitur an der ABF in Jena und studiert dann an der Filmhochschule in Potsdam-Babelsberg, Fachrichtung Kamera. 1960 beginnt er bei der DEFA, zu seinen besten Kameraarbeiten in den 60er Jahren zählt der Film "Jahrgang 45" (RE: Jürgen Böttcher), der nach dem 11. Plenum des ZK der SED 1965 mit einem kompletten Filmjahrgang verboten wurde. 1970 debütiert er mit "Mein lieber Robinson" mit einem lebensnahen Zeitbild über eine schwierige Enscheidungsfindung als Regisseur. Gräf bleibt thematisch dem Alltag treu, Gegenwartsstoffe wie "Bankett für Achilles", "P.S." und "Fariaho" arrangiert er als unaufgeregte Einblicke in die nur scheinbar homogene, bei genauerer Betrachtung aber zutiefst zerrissene Gesellschaft. Ungewöhnlich kritisch geht sein Film "Die Flucht" - am Beispiel einer Frauenklinik - mit dem Tabuthema des Verlassens des Arbeiter- und Bauernstaates um. Mit "Das Haus am Fluss" wendet sich Gräf der Vergangenheit zu und skizziert ein Zeit- und Sittenbild aus dem Zweiten Weltkrieg. 1988 inszeniert er die überzeugende Künstler-Psycho-Studie "Fallada - Letztes Kapitel". Noch vor der W